Auch als fußballferner Krimikolumnist kann man mit dem Namen Boateng etwas anfangen. Aus aktuellen Anlässen passt „Die Brüder Boateng“ von Michael Horeni bestens in unser Angebot vom Altbuchstapel.

Lokales: Hans Jörg Wangner (hwe)

Stuttgart - Musikerbiografien haben auf Killer & Co. ja eine schon eine kleine Tradition. Diesmal aber sind drei Brüder dran, von denen zwei als Profifußballer Schlagzeilen gemacht haben, im Guten wie im Schlechten, aus eigenem Tun heraus oder benutzt für perfide Kampagnen. „Die Brüder Boateng“ heißt das Buch des FAZ-Journalisten Michael Horeni, der bereits vor vier Jahren die Geschichten der beiden deutsch-ghanaischen Klasse-Kicker und ihres ebenfalls sehr talentierten ältesten Bruders aufgeschrieben hat.

 

Drei fußballverrückte Jungs

Nicht nur wegen der unsäglichen, pikanterweise von der „Frankfurter Allgemeinen“ mit ausgelösten Nachbarschafts-Debatte, wegen des täglichen Rassismus auf dem Spielfeld und anderswo sowie natürlich wegen der laufenden EM hat der Band nichts von seiner Aktualität verloren. Minutiös dröselt Horeni auf, woher die drei Halbbrüder Jérôme, Kevin und George kommen, welchen familiären und sozialen Hintergrund sie haben, wie sie anfangs getrennt in Wilmersdorf und dem Brennpunkt-Stadtbezirk Wedding aufwuchsen, wo sie tagaus, tagein auf dem wegen seines hohen Zaunes „Käfig“ genannten Spielfeld kickten. Horeni erklärt, wie es ist, wenn fußballverrückte Jungs ohne ihren Vater aufwachsen, wenn sie immer wieder auf sich selbst gestellt sind, wenn sie in einem problematischen Umfeld aufwachsen und auf dem Spielfeld rassistisch beschimpft werden.

Der Autor beschreibt aber auch die Chancen, die eine Integration für beide Seiten bietet, er schildert die komplizierte Gemengelage, die zum Gelingen oder aber zum Scheitern führen kann. Und er zeigt auf, wie die Hautfarbe eines Sportlers zum Politikum wird - lange, ehe Alexander Gauland mit seinem Nachbarschaftsvergleich zündelte.

Einblicke in das Profigeschäft

Eingefleischte Fußballfreunde kennen natürlich die Karrieren der Boatengs, die Triumphe, die dunklen Flecken (Stichworte: Foul an Michael Ballack, Ärger mit der Justiz). Aber auch wer mit dem Kicken gar nichts am Hut hat, lernt eine Menge über die Zustände in unserem Land. Er bekommt Einblicke in das Profigeschäft, in die Welt der Hinterhöfe - und in die Möglichkeiten, die sich diesem Land und seinen Menschen bieten, wenn sie nur erkannt und genutzt werden.

1:0 gegen Vorurteile und Ausgrenzung.

Michael Horeni: Die Brüder Boateng. Drei deutsche Karrieren, 272 Seiten, gebunden, Klett-Cotta, 18,95 Euro, auch als E-Book