Vito Corleone und seine Familie stehen eigentlich im Mittelpunkt von Ed Falcos Mafia-Epos. Doch dann ist da noch Luca Brasi, ein Monster in Menschengestalt.

Lokales: Hans Jörg Wangner (hwe)

Stuttgart - Es ist schon bemerkenswert: Kommt der Pate im „Paten“ doch nur vergleichsweise selten vor, so spielen auch die Corleones in „Die Corleones“ nicht ganz so unbedingt die Hauptrolle, wie der Titel vermuten ließe. Denn die ungeheure Zentralfigur neben Vito Corleone ist Luca Brasi, dessen Leben, Wirken und Sterben schon in Mario Puzos Klassiker recht, na, eindrucksvoll geschildert wird. Und dieser Brasi ist ein wahres Monster.

 

Nun also „Die Corleones“. Aus einem unveröffentlichten Drehbuch Puzos hat Ed Falco einen Roman geschaffen, der den Aufstieg Corleones zum Boss der Bosse beschreibt. Anfang der Dreißiger Jahre gibt der gebürtige Sizilianer noch nach außen (und nach innen gegenüber seinen Kindern) den braven Geschäftsmann. Doch er muss – Business ist Business – schon zu diesem Zeitpunkt Maßnahmen ergreifen, die den Rahmen der Legalität deutlich sprengen. So sieht er sich gezwungen, den Vater seines späteren Ziehsohnes Tom Hagen erschlagen zu lassen, was sein leiblicher Sohn Sonny mehr oder weniger zufällig beobachtet. Richtig zur Sache geht es aber erst, als der Kampf gegen Giuseppe Mariposa, den Boss der Bosse, eskaliert.

Überzeugende Argumente

Ed Falco entwirft ein wüstes Sittengemälde, in dem sich die Sizilianer nichts schenken im mehr oder weniger erfolgreichen Kampf um die Macht. Teils Rivalen, teils Verbündete sind Iren, die im Einzelfall nicht weniger hart gesotten sind, am Ende aber den kürzeren ziehen. Die Außenwelt, das „bürgerliche“ New York, spielt so gut wie keine Rolle, und auch Politiker und Polizisten sind nur insofern von Belang, als sie in irgend einer Form nützlich sind – zur Not werden sie eben mit guten Argumenten überzeugt.

Wie auch schon Puzo im Paten führt Falco eine derart große Zahl von handelnden Personen ein, dass man bisweilen Mühe hat, den Überblick zu behalten. Ein Dramatis personae, in der die Namen mit einer kurzen Funktionsbeschreibung aufgelistet wären (analog zum Glossar von A wie agita bis V wie v’fancul’), würde die Orientierung erleichtern.

Komplett moralfrei

Doch ein Protagonist – neben dem Don – hätte diese Gedächtniskrücke nicht nötig: Luca Brasi, der sich in einer Welt der Gewalt durch besondere Brutalität hervortut und dessen Dienste sich der große Stratege Corleone versichert. Brasi handelt nach der Devise „du darfst dir keine Gedanken machen, ob zu stirbst. Die anderen müssen sich Gedanken machen, ob sie demnächst sterben.“ Falco beschreibt, wie Brasi zu dem wurde, was er ist, wie er als Kind seinen Vater tötete, weil der seine von einem anderen schwangere Frau attackierte und wie er fortan komplett moralfrei seinen Weg geht.

„,Boss‘, sagte Hooks [...], ,du kannst nicht jeden umbringen.‘ ,Klar kann ich das.‘ Luca rückte ein Stück von Hooks weg und musterte ihn eingehend. ,Hast du ein Problem damit, Luigi?‘“

Dialoge wie dieser, die Unbedingtheit ihrer Aussage, könnten dazu beitragen, dass nach dem Paten auch die Corleones zum Klassiker werden.

Ed Falco: Die Corleones, 477 Seiten, Klett-Cotta, 21,95 Euro