Exklusiv Bei den heftig umkämpften rechtlichen Änderungen sind Kompromisse gefunden worden. Die Bejagung einzelner Tierarten soll sich in Baden-Württemberg künftig stärker an wissenschaftlichen Kriterien orientieren.

Stuttgart - Baden-Württemberg wird mit der Novellierung des Landesjagdgesetzes ein bundesweit einmaliges Wildtiermanagement einführen. Das hat Wolfgang Reimer, der Amtschef des Ministeriums für den Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, gegenüber der StZ angekündigt. Darauf hätten sich Jäger, Natur- und Tierschützer sowie die kommunalen Spitzenverbände in dem nun seit mehr als einem Jahr laufenden Beteiligungsverfahren verständigt. Weitere Einigungen zeichneten sich ab, etwa bei der Wildtierfütterung oder bei der Wildschadensregulierung in Maisfeldern.

 

„Es gibt noch offene Fragen, aber keinen ideologischen Krieg“, betont Reimer. Diese Fragen sollen nun in weiteren Treffen des Koordinierungskreises erneut beraten werden, der Referentenentwurf des Gesetzes soll im Januar vorgelegt werden und dann in die parlamentarische Beratung gehen.

Die Verunsicherung vor Ort ist beträchtlich

Noch weiß also niemand, was im Gesetzentwurf steht. Entsprechend groß ist deshalb aber die Unruhe und Verunsicherung vor Ort: Insbesondere bei den lokalen Veranstaltungen der Kreisjagdverbänden werden, so scheint es, längst überholte Schlachten geschlagen. Falls die Jäger nicht ernst genommen würden, „werden wir unsere Aktionen eskalieren lassen“ war erst jüngst auf einer Versammlung im Kreis Freudenstadt zu hören, die Jäger seien keine „Erfüllungsgehilfen des Nabu“. Der Landesjagdverband hatte die rund 30 000 organisierten Mitglieder aufgefordert, mit einer Postkartenaktion für ihre Interessen zu werben. Prompt versuchen Umwelt- und Tierschutzverbände mit einem offenen Brief an die Abgeordneten noch Einfluss auf den Gesetzentwurf zu nehmen. Deshalb geht der Stellvertreter von Minister Alexander Bonde (Grüne) nun mit ersten Informationen in die Offensive. Er will Missverständnisse und wilde Spekulationen ausräumen, die aus Unkenntnis des Sachstands resultierten. „Wir werten die Jagd auf, indem sie gesellschaftlich anerkannte und neue Aufgaben beim Wildtiermanagement übernehmen soll“, erklärt der Ministerialdirektor.

Schutz oder Nutzung? Das neue Gesetz will Flexibilität bieten

Das Jagdgesetz solle sich künftig stärker an wissenschaftlich objektivierbaren Kriterien orientieren. Der „Charme“ des sogenannten Schalenmodells bestehe darin, dass das Ministerium als oberste Jagd- und Naturschutzbehörde regelmäßig auf der Grundlage eines Wildtiergutachtens der Wildforschungsstelle Aulendorf entscheiden könne, ob eine Tierart regional und flexibel ins Schutz-, ins Entwicklungs- oder Nutzungsmanagement übernommen werde. So muss nicht, wie bisher im Gesetz die Liste der jagdbaren Tiere geändert werden. Der Feldhase etwa sei vielerorts selten, andernorts aber sehr häufig, dort könne er geschossen werden. Auch den geschützten Biber werde man „irgendwann örtlich regulieren müssen“.

Ein Kompromiss zeichne sich auch bei der Wildtierfütterung ab. Grün-Rot hatte deren Abschaffung sogar im Koalitionsvertrag verankert, was zu heftigen Protesten des Landesjagdverbands führte. Jetzt soll es Ausnahmen in langen harten Wintern in den Hochlagen geben. Dann aber sollte zuvor versucht werden, die Winterruhe der Tiere durch ein Wegegebot für Langläufer, Wanderer und auch Jäger zu sichern. In der Schweiz mit alpinen Hochlagen gebe es keine Wildtierfütterung, sagte Reimer. Auch bei der Schadensregulierung an Maiskulturen komme man den Jägern entgegen. Die Landwirte sollen für die Schadensregulierung zu 20 Prozent herangezogen werden.