Der neue evangelische Betriebsseelsorger Andreas Hiller lädt zu seinem ersten Neujahrsempfang – gemeinsam mit dem katholischen Kollegen Walter Wedl.

Sindelfingen - Der Arbeitsmarkt brummt wie selten zuvor. Die Zahl der Arbeitslosen ist auf einem Niedrigstand. Trotzdem brauche man die kirchlichen Betriebsseelsorger, sagt Andreas Hiller überzeugt. Seit September hat er dieses Amt für die evangelische Kirche inne. Am Freitagabend lud er zu seinem ersten Neujahrsempfang in die Räume der evangelischen Betriebsseelsorge in der Vaihinger Straße in Sindelfingen ein – gemeinsam mit seinem Katholischen Kollegen Walter Wedl. Mehr als 60 Gäste folgten der Einladung, darunter die Landtagsabgeordneten Paul Nemeth (CDU) und Florian Wahl (SPD) sowie die Kandidatin der Grünen für die Wahl am 13. März, Thekla Walker.

 

Wo die Betriebsseelsorger heute gefordert sind, zeigte das Thema des Empfangs: Es ging um Werkverträge und Leiharbeitsverhältnisse, die immer mehr Unternehmen forcieren. Walter Wedl machte am Beispiel von Regalbefüllern in Supermärkten deutlich, wie Unternehmen ihr Risiko auf billig bezahlte Arbeitskräfte abwälzen. So müssten die Regalverräumer, die häufig mit Werkverträgen oder als Minijobber bei einem ebenfalls mit Werkvertrag ausgestattetem Subunternehmer beschäftigt sind, auf Abruf zur Verfügung stehen. „Wenn der Supermarkt wenig verkauft, dann ordert er auch weniger und die Mitarbeiter werden tagelang nicht gebraucht.“ Wedl und sein evangelischer Kollege Hiller unterstützen die Gewerkschaften, die sich für die Belange von Arbeitnehmern mit Werkverträgen einsetzen.

Doch dies ist nur eine Aufgabe der Seelsorger. Auch aktuell gebe es Firmenschließungen. „In Herrenberg hat die IBM Enterprise Application Solutions zugemacht.“ Etwa 100 Mitarbeiter seien davon betroffen. „Ich war bei einer Betriebsversammlung dabei“, sagt Hiller. Auch Mobbing sei ein großes Thema. Dafür bietet Hiller Einzelberatung an, während sich sein katholischer Kollege um Menschen kümmert, deren Job sie in den Burn-out führt.

Um ein Gespür für die Themen zu bekommen, die die Berufstätigen bewegen, will der Pfarrer in diesem Jahr auch in einige Firmen hineinschnuppern. Zuvor war er 23 Jahre als Gemeindepfarrer tätig gewesen. Zuletzt hatte er eine Pfarrstelle in Lichtenwald im Kreis Esslingen. „Ich habe eine neue Herausforderung gesucht, Menschen zu begleiten“, nennt er sein Motiv zum Wechsel nach Sindelfingen. Eineinhalb Jahre lang war die Stelle der evangelischen Betriebsseelsorge vakant gewesen.

Einziger evangelischer Betriebsseelsorger in Württemberg

Es ist die einzige Stelle dieser Art in der evangelischen Kirche Württemberg. Entstanden war sie in den 1980er-Jahren. Damals habe IBM einen Dreischicht-Betrieb an sieben Wochentagen einführen wollen, sagt Hiller. Die beiden Kirchen unterstützten die Mitarbeiter im Kampf gegen die Pläne – mit Erfolg. Daraus entwickelte sich dann die Betriebsseelsorge.

In der katholischen Kirche hat diese eine Tradition, kommt aus der katholischen Arbeiterbewegung. In fast jedem Kirchenbezirk gibt es spezielle Ansprechpartner für Berufstätige und Arbeitslose. Allein in der Diözese Rottenburg-Stuttgart sind es neun Betriebsseelsorger, davon zwei in Stuttgart, einer speziell für die Menschen, die auf der Großbaustelle Stuttgart 21 beschäftigt sind. Häufig sind das Wanderarbeiter, die von weit her kommen, dort ihre Familien zurückgelassen haben.

Im Kreis Böblingen halten die beiden Seelsorger den Kontakt vor allem zu den Betriebsräten großer Unternehmen. Aber jeder Arbeitnehmer kann sich auch persönlich an die Seelsorger wenden. Und auch für Menschen ohne Job sind diese da. Es gibt einen Treff für Erwerbslose.

Überhaupt ist die Arbeit ein ökumenisches Gemeinschaftsprojekt. Dreimal im Jahr halten die beiden Seelsorger auch einen gemeinsamen Gottesdienst: an Weihnachten, Ostern und zum 1. Mai. Darüber hinaus steht Andreas Hiller aber regelmäßig auf der Kanzel. Eingebunden ist er einmal im Monat in den Predigtdienst im Kirchenbezirk.