Beim Degerlocher Neujahrsempfang ist eigentlich immer Harmonie angesagt. Die Lokalpolitiker bemühten sich auch diesmal darum, obwohl das Jahr 2014 im Streit zu Ende ging. Die Reden enthielten entsprechende Andeutungen und Spitzen.

Degerloch - Jetzt haben wir uns alle wieder lieb, das ist kein leichter Vorsatz für das neue Jahr. Vor allem, wenn im alten Jahr so richtig die Fetzen geflogen sind. Es ist aber Usus in unserer zivilisierten Welt, dass Streithähne, sofern sie ein öffentliches Amt innehaben, sich ihre negativen Gefühle füreinander nicht anmerken lassen. Zumindest, wenn sie nicht unter vier Augen sind. Stattdessen müssen sie Fassung wahren, selbst wenn sie das die allergrößte Mühe kosten mag.

 

Im Degerlocher Bezirksrathaus herrschte beim Neujahrsempfang festliche Unruhe nach dem Sturm. Wenige Wochen zuvor hatten Grüne und SPD Brigitte Kunath-Scheffold bei einer Bezirksbeiratssitzung gerügt. Der folgende Streit der Fraktionen ließ die Sitzung platzen. Nun saßen die Lokalpolitiker mit vielen anderen Gästen im Sitzungssaal des Bezirksrathauses wieder beieinander.

Rückblick auf ein Jahr, das im Streit endete

Brigitte Kunath-Scheffold hatte die Aufgabe, auf das gemeinsam Erreichte zurückzublicken, obwohl die Gemeinsamkeiten im Bezirksbeirat bei der Sitzung im Dezember nicht einmal ausreichten, um diese ordentlich zu Ende zu führen. Immerhin konnte sie ihre Rede nutzen, um in Nebensätzen ihre Gegner zu kritisieren und sich selbst, wie sie es formulierte, als „Dienerin Degerlochs“ ins rechte Licht zu rücken.

„Ich wünsche mir mehr Vorsicht und mehr Nachsicht“, mahnte die Bezirkschefin. Allen, die die Vorwürfe der Degerlocher Grünen und Sozialdemokraten kennen, war klar, wer gemeint ist.

Vorwürfe an die Bezirkschefin

Denn in ihrer gemeinsamen Rüge hatten SPD und Grüne im Dezember der Bezirksvorsteherin vorgeworfen, dass sie die Geschäftsordnung verletze und „peinliche Fehler“ begehe. Sie würde zu spät zu Sitzungen des Bezirksbeirats einladen und den Fraktionen dadurch die Möglichkeit nehmen, sich ausreichend vorzubereiten.

Kunath-Scheffold beschrieb sich selbst in ihrer Rede zum Neujahrsempfang als eine Perfektionistin, die manchmal Drahtseilakte stemmen müsse. Bei dieser Selbstbeschreibung lässt sich gleichfalls ein Bezug zu den Vorwürfen von SPD und Grünen erkennen, sie würde ihr Amt nicht ordnungsgemäß ausführen.

CDU lobt Einsatz

Interessant wäre es sicher gewesen, wenn, wie in der Vergangenheit, ein Grüner für die Fraktionen im Bezirksbeirat gesprochen hätte. Doch nach den Gemeinderatswahlen ist die CDU die stärkste Fraktion in dem Gremium. Die Partei hat sich allerdings in dem Konflikt eindeutig auf die Seite Brigitte Kunath-Scheffolds gestellt und in der im Eklat endenden Sitzung im Dezember ordentlich gegen die Kollegen von SPD und Grünen geholzt. Götz Bräuer, der Sprecher der CDU im Bezirksbeirat, erinnerte daran, dass in der Vergangenheit Parteipolitik in dem Gremium keine Rolle gespielt habe und er es sich auch so für die Zukunft wünsche. Über den Streit in der Gegenwart sprach er nicht, dankte dafür der Bezirkschefin mit Nachdruck für ihren Einsatz für Degerloch.

Engagement zeigt Kunath-Scheffold jedes Jahr auch darin, hochkarätige Gastredner für den Neujahrsempfang zu gewinnen. In diesem Jahr sprach Christine Brunner, die Leiterin der Stadtbibliothek. Sie hielt einen Vortrag über das Lesen im digitalen Zeitalter. Zuversichtlich zeigte sie sich, dass das gedruckte Buch kein Medium von gestern sei und wünschte allen Gästen Zeit zum Lesen. Einen Lesetipp für die zerstrittenen Degerlocher Lokalpolitiker gab Christine Brunner übrigens nicht.