Hermann Färber, Bauer auf der Alb, ist jetzt für die CDU im Bundestag. Das bedeutet ein Leben zwischen zwei ganz unterschiedlichen Welten.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Die Regale im Abgeordnetenbüro Nummer 4542 an der Westfront des Jakob-Kaiser-Hauses sind noch weitgehend leer. Vier Aktenordner finden sich dort – Relikte der ersten 198 Tage im Parlamentarierleben von Hermann Färber. An der Wand lehnt ein Reisekoffer auf Rollen. Färber greift dahinter und zerrt ein großformatiges Bild hervor. Es ist noch in Plastikfolie eingewickelt. „Das ist mein Stück Heimat, das ich mir mitgebracht habe“, sagt der CDU-Mann.

 

Seine Heimat ist 583 Straßenkilometer vom neuen Arbeitsplatz entfernt. Im vergangenen Herbst ist Färber zum Bundestagsabgeordneten gewählt worden. Er vertritt den Wahlkreis 263, der dem Landkreis Göppingen entspricht. 49 Prozent der Wähler haben ihr Kreuz hinter seinen Namen gesetzt.

Das Bild in der Plastikfolie zeigt ein Panorama von der Schwäbische Alb bei Böhmenkirch: Strohballen, Stoppelfelder, grüne Wälder am Horizont. Das Foto hat Färbers Frau geschossen. Im Hintergrund ist die barocke Patriz-Kapelle zu erahnen: ein Wallfahrtsort, der dem Schutzpatron des Viehs geweiht ist. Vor dieser Kulisse hat sich Färbers Alltag bis vor Kurzem abgespielt.

Der Schweinebauer ist Politiker geworden

Vor sechs Monaten stieg der 51-jährige Landwirt vom Traktor ins Raumschiff Berlin um. Sein neuer Job in der abgehobenen Atmosphäre des Regierungsviertels hat mit dem alten wenig gemein. Draußen vor dem Bürofenster ist der Tiergarten zu sehen. Ansonsten lebt Färber in einer Atmosphäre von Neonlicht, seine Arbeitstage sind getaktet in der unerbittlichen Abfolge zahlloser Termine: Ausschüsse, Anhörungen, Plenarsitzungen. Der Schweinebauer ist Politiker geworden – eine abrupte Wende.

Färbers neue Karriere begann mit einem unfreundlichen Akt: Er hat seinen Vorgänger Klaus Riegert, der den Wahlkreis immerhin fünfmal für sich gewonnen hatte, verdrängt. Im Berliner Parlamentsbetrieb war Riegert ein beliebter Kollege, Kapitän der Fußballelf des Deutschen Bundestags. Als Sportpolitiker hatte er aber wenig zuwege gebracht. Und zu Hause an der Basis herrschte Unmut. Färber, der erst 2012 in die CDU eingetreten ist, ließ sich zu einer Kampfkandidatur überreden. Er mobilisierte 100 neue Mitglieder für seine Partei, angestachelt durch das „Klischee vom mistgabelschwingenden Gummistiefelträger“, über das er sich geärgert hat. Die Rebellion war erfolgreich. Jetzt ist Färber ein Reden schwingender Aktenkofferträger.

Die Landwirtschaft muss ohne ihn auskommen

Der Wechsel zwischen den Welten, zwischen dem politischen Parkett und seinem Hof mit 360 Mutterschweinen, 20 Hektar Grünland und 80 Hektar Getreide und Raps, falle ihm leichter als gedacht, sagt der Novize im Parlamentsgeschäft. „Ich komme gerne nach Hause, fahre aber auch gerne wieder nach Berlin.“ Auf dem Hof hat jetzt der 25-jährige Sohn Michael das Sagen, seine Geschwister Tobias, Daniel, Andreas und Hanna helfen mit. Selbst an den Wochenenden bleiben dem Altbauern oft nur wenige Stunden Zeit für die Familie. Die Landwirtschaft muss ohne ihn auskommen. „Wenn ich nach Hause komme“, sagt Färber, „dann fragen die mich nicht, womit sie die Schweine füttern sollen.“

In Berlin hingegen findet er als Landwirt Gehör. Männer seines Standes sind im Parlament rar. Nur 15 der 631 Abgeordneten kommen aus der Land- und Forstwirtschaft. Die CDU hat Färber folgerichtig in den Agrarausschuss entsandt. Unlängst durfte er vor dem Plenum schon seine erste Rede halten. Sechs Minuten und 54 Sekunden hat die Premiere gedauert. Es ging um die Gentechnik. Dazu vertritt der Schweinezüchter differenzierte Ansichten. Sie sind auch bei Facebook nachzulesen. Jeder habe „ein gutes Recht, Gentechnik abzulehnen“, sagt der CDU-Bauer. „Aber wir können uns nicht auf Emotionen berufen.“ Er plädiert dafür, weiterzuforschen, will aber „keinen Freifahrschein für alles, was erfunden wird“.

Sein Vorbild ist Manfred Wörner, einst Nato-Generalsekretär

An welchen politischen Vorbildern orientiert sich Hermann Färber? Auf solche Fragen folgt erst einmal Schweigen. Die Antwort ist dem Abgeordneten von der Alb beinahe peinlich. Er nennt den Namen Manfred Wörner. Färbers Kinder werden diesen Mann nicht kennen. Auch er hat einmal den Wahlkreis Göppingen in der Welt der großen Politik vertreten. Das war noch zu Helmut Kohls Zeiten. Da wurde Wörner Verteidigungsminister, später Nato-Generalsekretär. Nach solchen Ämtern stehe ihm nicht der Sinn, versichert Färber. So erklärt er seine zögerliche Antwort. Bei Wörner habe ihm aber imponiert, dass dieser „für die Menschen immer greifbar“ gewesen sei. „Es gab kein Schreiben, das nicht beantwortet wurde.“

An diesem Donnerstag steht die 30. Plenarsitzung in Färbers Terminkalender. Seine Abgeordnetenkarriere ist noch jung, von Politikverdrossenheit natürlich keine Spur. Dennoch denkt er schon darüber nach, was kommen könnte, falls ihm die Wähler einmal ihre Gunst versagen würden. Dann besinnt er sich auf seine Wurzeln. Er würde zurückkehren auf den Hof, der jetzt nicht mehr der seine ist. Färber versichert aber: „Ich gehe davon aus, dass mein Sohn eine Arbeit für mich hätte.“