Das Hirntraining für die eigenen vier Wände erobert den Markt: Mit Neurofeedback und elektrischer Stimulation soll man konzentrierter werden und besser lernen können. Wissenschaftler sind jedoch skeptisch.

Stuttgart - Ich schaue gebannt auf den Computerbildschirm vor mir. Den grafischen Balken, der mir den Grad meiner Aufmerksamkeit anzeigt, habe ich fest im Blick. Bloß mit der Kraft meiner Gedanken versuche ich, ein Fass auf dem Monitor schneller zum Brennen zu bringen. Je stärker meine Aufmerksamkeit ist, desto rascher brennt das Fass ab – das einzige Ziel des simplen Spiels.

 

Nein, ich bin natürlich kein Jedi-Meister aus „Star Wars“. Ganz ohne den Einsatz einer übernatürlichen Kraft werden für das Spiel meine Hirnwellen ausgelesen. Ich sitze auch nicht im Labor eines Forschers mit zahlreichen Elektroden am Kopf, sondern bequem zu Hause. Ausgerüstet bin ich mit dem Gerät MindWave der amerikanischen Firma NeuroSky. Das 90 Gramm schwere Headset besteht aus einem Kopfbügel, einem Ohrclip und einer EEG-Elektrode, die man auf der Stirn platziert. MindWave registriert nach Angaben des Herstellers die Hirnwellen, die mit verschiedenen Bewusstseinszuständen einhergehen.

In den letzten Jahren hat eine ganze Reihe von Geräten den Markt erobert, mit denen man vermeintlich ganz einfach zu Hause sein Gehirn auf Trab bringen kann – per elektronischer Rückmeldung der eigenen Hirnaktivitäten oder per Hirnstimulation. Das MindWave auf meinem Kopf ermöglicht ein sogenanntes Neurofeedback. Das Prinzip: der Nutzer erhält auf der Grundlage von per EEG gemessenen Hirnwellen eine grafische oder akustische Rückmeldung. Diese soll ihm helfen, seine Hirnaktivitäten in eine gewünschte Richtung zu lenken und damit etwa seine Aufmerksamkeit zu steigern oder aber zu entspannen. Die Hirnmuster hängen vom aktuellen Bewusstseinszustand ab. Vom Schlaf über das Dösen und einer ruhigen Entspanntheit bis zu geistiger Anspannung werden die Hirnwellen immer schneller. Thetawellen etwa, in einem Frequenzbereich von vier bis acht Hertz, gehen mit tiefer Entspannung und Tagträumen einer. Die schnelleren Betawellen hingegen, die von 13 bis 30 Schwingungen pro Sekunde reichen, werden von Aufmerksamkeit und mentaler Wachheit begleitet.

Wie genau ich meine Aufmerksamkeit steigern und damit das Fass auf dem Bildschirm schneller abbrennen lassen kann,, bleibt mir überlassen. Beim Neurofeedback probiert man verschiedene Strategien aus und registriert über die Rückmeldung, ob die jeweilige Taktik aufgeht. Für die „richtigen“ Hirnwellen werde ich mit einem besseren Abschneiden beim Spiel belohnt.

Auf eine Sache konzentrieren

Am besten funktioniert bei mir, mich auf eine Sache zu konzentrieren, beispielsweise auf meinen Aufmerksamkeitswert auf dem Bildschirm. Nach einigen Trainingseinheiten bringe ich mit meiner Strategie das Fass auf dem Bildschirm tatsächlich rascher zum Abbrennen. Ob das aber letztlich meine Aufmerksamkeit wirklich verbessert, kann ich selbst schlicht nicht beurteilen.

Genau eine solche Verbesserung wird einem aber in Aussicht gestellt. Auf der Website des Vertriebspartners von NeuroSky in Europa heißt es beispielsweise, man könne gezielt seine Konzentrations-, Aufmerksamkeits- oder Entspannungsfähigkeit trainieren und schon nach wenigen Übungseinheiten die ersten mentalen Erfolge verbuchen. Dabei dient das Gerät nicht medizinischen Zwecken. Es ist rein für Unterhaltung und Lifestyle gedacht.

Auch andere kommerzielle Anbieter greifen auf Neurofeedback zurück. Das EEG-Headset der kanadischen Firma InteraXon verspricht, die mentale Fitness zu steigern und Stress zu reduzieren. Und die amerikanische Firma NeuroQuest preist Trainingsprogramme an, die angeblich die Konzentration und das Kurzzeitgedächtnis verbessern sollen.

Doch fußen solche vollmundigen Versprechen wirklich auf einer wissenschaftlichen Grundlage? Es gibt in der Tat eine ganze Reihe von Studien, die eine positive Wirkung von Neurofeedback nahelegen. Ein Beispiel hierfür ist eine Untersuchung von Benedikt Zoefel von der Uni Magdeburg und seinen Kollegen. 14 Probanden sollten ihre Alpha-Hirnwellen steigern, die sich im Bereich von 8 bis 13 Schwingungen pro Sekunde bewegen. Ihre Hirnmuster bekamen die Freiwilligen mit einem farblich unterschiedlich gestalteten Quadrat rückgemeldet.

Nach einem einwöchigen täglichen Training waren immerhin elf dieser Versuchspersonen im Vergleich zu Kontrollpersonen besser bei einer räumlichen Vorstellungsaufgabe. Ähnlich wie bei dem Spiel Tetris mussten sie verschiedene Würfel im Geist drehen, um festzustellen, ob sie zu einem anderen Würfel passten. Die Leistungszunahme ging Hand in Hand mit einem erhöhten Anteil von Alphawellen. Auch in anderen Studien in den letzten Jahren brachte das Training verschiedener Hirnwellen wahlweise das Gedächtnis, die Aufmerksamkeit oder die Kreativität auf Trab. Ein Problem vieler solcher Studien wie der von Zoefel und seinen Kollegen ist allerdings, dass die Zahl der Versuchspersonen sehr klein ist. Das mindert die Aussagekraft der Untersuchungen. Außerdem weisen die Studien nicht selten die eine oder andere methodische Schwachstelle auf. Das heißt nun nicht, dass das Neurofeedback keine positive Wirkung auf unsere geistigen Fertigkeiten haben kann. Aber es ist wohl noch etwas verfrüht, um die Segnungen dieser Technik marketingtechnisch anzupreisen.

Wirkung umstritten

Außerdem ist es eine Sache, Neurofeedback unter kontrollierten Bedingungen im Labor anzuwenden. Eine ganz andere ist es, auf dem heimischen Sofa damit zu experimentieren. Der Psychologe Michael Doppelmayr von der Uni Mainz hat zwar selbst noch keine Erfahrung mit den Geräten für den Hausgebrauch gesammelt, aber er ist skeptisch. „Die Wirksamkeit von Lifestyle-Geräten würde ich kritisch sehen“, sagt er. „Einerseits sollte die Beeinflussung von Gehirnaktivität Fachleuten vorbehalten sein, und andererseits ist es für mich fragwürdig, was diese Geräte genau machen.“ Um korrekt mit Neurofeedback zu arbeiten, müssten unter anderem die Elektroden an genau bestimmten Punkten am Kopf angebracht werden und die anvisierten Hirnfrequenzen inhaltlich genau ausgesucht werden. „Ich wage zu bezweifeln, dass dies immer geschieht.“

Nicht alle Neurofeedbackgeräte für den Heimgebrauch seien gut, sagt auch der Mediziner Evgenij Coromaldi von der Uni Bremen. „Das MindWave-Gerät scheint aber zuverlässige EEG-Daten zu liefern.“ Es gebe ein paar Forschungsergebnisse mit diesem und einem ähnlichen Gerät der Firma. „Ob man damit tatsächlich kognitive Leistungen verbessern kann, lässt sich nur nach systematischen wissenschaftlichen Untersuchungen sagen – und die sind meines Wissens nach nicht vorhanden.“

Unterm Strich kann man also zusammenfassen: die vollmundige Werbebotschaft, jedermann könne zu Hause mit Neurofeedback mental fitter werden, ist zumindest bislang übertrieben.