Nächster Neustart: Der Ex-Stuttgarter will beim Zweitligisten SV Darmstadt 98 den Beweis antreten, dass er dazugelernt hat.

Sport: Gregor Preiß (gp)

Stuttgart/Darmstadt - Mit Sicherheit hat er es so nicht gemeint. Und doch liest sich das, was Kevin Großkreutz jüngst in einem Interview mit dem „Darmstädter Echo“ zu Protokoll gab, nun ja, ein wenig unglücklich. Gefragt nach seiner Rolle für die vielen jungen Spieler im Team antwortete der 28-Jährige: „Ich bin auf jeden Fall für sie da und kann ein paar Tipps geben – auch auf dem Platz.“

 

Ein Satz, der jedem Spötter als Steilvorlage dient. Großkreutz als Vorbild für junge Fußballer? Ausgerechnet! Sein Ausflug ins Stuttgarter Nachtleben mit einer Reihe Jugendspieler im Schlepptau samt frühmorgendlicher Schlägerei, Krankenhausaufenthalt und anschließendem Rausschmiss beim VfB Stuttgart liegt ja nur vier Monate zurück. Auch wenn es sich länger anfühlt – nach dem, was im Anschluss alles passierte. Die tränenreiche Vertragsauflösung, sein Wechsel nach Darmstadt, der VfB-Aufstieg. Der Prozess gegen die jugendlichen Schläger hat noch nicht mal begonnen.

Kein Blick zurück

Dennoch: Vorbei. Abgehakt. „Die Vergangenheit interessiert mich nicht“, sagt Kevin Großkreutz. „Ab jetzt schaue ich nur noch nach vorn.“ Auf den Start der zweiten Liga. Am Samstag (15.30 Uhr) empfangen seine Lilien zu Hause am Böllenfalltor die Spvgg Greuther Fürth. Großkreutz kann es kaum erwarten: „Es ist immer etwas Besonderes, für einen neuen Verein das erste Spiel zu bestreiten. Wir haben gute Fans, das Stadion hat Tradition, hier wird mit Herz und Leidenschaft gespielt – das passt für mich.“

Darmstadt hat sich in der Vergangenheit schon oft als geeignetes Auffangbecken für aussortierte Spieler erwiesen. Großkreutz’ romantische Vorstellung muss trotzdem erst noch in Erfüllung gehen. Seinen Kritikern muss der Weltmeister jedenfalls einiges beweisen. Zum Einen, dass er, was sein Verhalten außerhalb des Platz angeht, tatsächlich dazu gelernt hat und ruhiger geworden ist, wie er betont. Und dass er auch fußballerisch noch zu Entwicklungsschritten fähig ist. Seit seinem Abgang von Borussia Dortmund, der nun auch schon über zwei Jahre zurück liegt, hat sich der Fußball-Allrounder auf Zweitliga-Niveau eingependelt. Zumindest legten dies seine letzten Auftritte im VfB-Trikot nahe. Die Ansprüche an den prominenten Neuzugang, der sich wie schon in Stuttgart bei öffentlichen Auftritten sehr zurückhaltend, fast schüchtern gibt, sind dennoch hoch. Zusammen mit Kapitän Aytac Sulu und Routinier Hamit Altintop soll der 186-fache Bundesligaspieler eine Mannschaft anführen, die nach dem Abstieg stark verjüngt wurde.

Druck gibt es auch in Darmstadt

Vom direkten Wiederaufstieg redet bei den 98ern zwar niemand. Was nicht bedeutet, dass die Lilien deshalb einen locker-lässigen Ball daherspielen können. Druck wird es auch in der Fußball-Provinz Darmstadt geben – für Trainer und Großkreutz-Fürsprecher Torsten Frings, vor allem aber für Großkreutz selbst. Er wird der wohl meist beachtete Profi am Böllenfalltor sein, wenn nicht der gesamten zweiten Liga. Auch wenn sich der Hype um seine Person zuletzt etwas gelegt hat.

Woran er selbst Anteil hat. Sein Unterhaltungsprogramm im Internet hat er seit seinem Wechsel zurückgefahren. Seine jüngsten Posts bei Instagram zeigen ihn viel beim Spielen mit seiner Tochter Leonie, fußballerische Kampf-Prosa sucht man vergebens. Was auffällt: Bei seinen vielen Danksagungen (für die Unterstützung in der letzten, schweren Zeit) tauchen regelmäßig der BVB und auch der DFB auf. Zum VfB hingegen scheint das Verhältnis merklich abgekühlt zu sein, die Fans einmal ausgenommen.

Mal sehen, ob Großkreutz die PR-Maschinerie anwirft, sobald der Ball wieder rollt. Und ob er endlich den Beweis antreten kann, dass er dazugelernt hat – und tatsächlich als Vorbild taugt.