Nach langen Verhandlungen einigen sich die Parteien auf einen Termin für die vorgezogene Landtagswahl. Aufgrund der Regierungskrise soll der Landtag schon in wenigen Tagen aufgelöst werden.

Hannover - Ein kleiner, schmuckloser Sitzungsraum im Erweiterungsbau des Landtags mit nicht mehr als 16 Plätzen wurde gestern Mittag zum Treffpunkt des niedersächsischen Krisengipfels. Es wirkte wie ein Konklave im Landtag, um die niedersächsische Regierungskrise zu lösen, die sich mit dem Übertritt der Grünen-Abgeordneten Elke Twesten zur CDU und dem Verlust der rot-grünen Ein-Stimmen-Mehrheit im Landtag ergeben hatte. Und tatsächlich stieg am Nachmittag weißer Rauch auf. Nach heftigem Streit hatten sich die vier Fraktionen, der Landtagspräsident und der Ministerpräsident auf einen Termin für Neuwahlen geeinigt: Am 15. Oktober sollen die Bürger zu den Urnen gerufen werden.

 

Verhandlungen drohen zu platzen

Dabei drohten die Verhandlungen zwischendurch sogar zu platzen. Nach über zwei Stunden intensivem Ringen verließen die Spitzen von FDP und CDU schmallippig den Raum. „Kurze Unterbrechung, kein Kommentar“, ließ CDU-Landeschef Bernd Althusmann die wartenden Journalisten wissen. Am Ende wurden es 40 Minuten Pause, der Streit zwischen den bürgerlichen Parteien auf der einen und Rot-Grün auf der anderen Seite schien festgefahren.

Die Frontlinien waren dabei schon vorher klar: Alle Beteiligten waren sich einig, dass es schnell Neuwahlen geben sollte – doch wie schnell, darüber herrschte Streit. CDU und FDP hatten sich vehement dafür ausgesprochen, den 24. September, den Tag der Bundestagswahl, auch als Landtagswahltermin auszuwählen. Das sei kostengünstiger, weil man zwei Wahlen in einem Aufwasch durchführen könne und man zudem auf eine höhere Wahlbeteiligung für die Landtagswahl hoffen könne. Es sei den Wählern nicht zu vermitteln, wenn sie einige Wochen nach der Bundestagswahl schon wieder zu den Urnen müssten, hatte FDP-Fraktionschef Christian Dürr bereits im Vorfeld gesagt.

Eine Rolle dürfte bei den Überlegungen aber auch gespielt haben, dass sich Union und FDP angesichts der Umfragen ein gutes Ergebnis bei der Bundestagswahl erhoffen – und diesen Merkel- oder Lindner-Effekt gerne auch für die Landtagswahl mitnehmen würden.

„So schnell wie möglich“

Wohl aus demselben Grund äußerten sich SPD und Grüne schon im Vorfeld skeptisch, ob eine Landtagswahl am 24. September zu schaffen wäre. Das könne rechtlich wackelig sein, warnte Grünen-Parteichef Meta Janssen-Kucz. Allein Ministerpräsident Stephan Weil hatte gesagt, eine Parallelwahl am 24. September „wäre wünschenswert“ –doch diesen Satz wiederholte er gestern vor Beginn der Sitzung nicht. „So schnell wie möglich“ sollte in Niedersachsen neu gewählt werden, meinte der Regierungschef nun. Welcher Termin das sein könne, müsste man nun mit der Landeswahlleiterin und den Landtagsjuristen vom Gesetzgebungs- und Beratungsdienst besprechen. Weil lächelte – und ging allein und ohne die übliche Entourage in den kleinen Verhandlungsraum.

Hinter den geschlossenen Türen begann dann die Machtprobe zwischen rot-grüner Regierung und schwarz-gelber Parlamentsmehrheit. Den Vorteil hatte dabei die Landesregierung, denn sie legt mit einem Kabinettsbeschluss Wahltermine fest – der Landtag ist dabei außen vor. Somit hatte die Landesregierung alle Möglichkeiten, von der Bundestagswahl wegzurücken.

Doch die Opposition hatte ebenfalls noch einen Pfeil im Köcher: Sollte die Landesregierung sich nicht kompromissbereit zeigen, werde man in der nächsten Landtagssitzung einen Misstrauensantrag stellen und Regierungschef Stephan Weil mit Schimpf und Schande aus dem Amt jagen. Dann ginge nicht er, sondern sein CDU-Kontrahent Bernd Althusmann als Ministerpräsident in die Wahl. Eine Drohung, die wiederum nicht ohne Gefahr für CDU und FDP wäre. Sie müssten dann mit der neu erworbenen Ein-Stimmen-Mehrheit bei einer geheimen Wahl in dieses Misstrauensvotum gehen – und würden riskieren, dass ihrerseits ein Abweichler die Abstimmung vermasselt.

Letzter Moment der Einigkeit

Am Ende stand etwas, was CDU-Landeschef Bernd Althusmann ein „Kompromissdatum“ nannte: Der 15. Oktober – der letzte Sonntag der niedersächsischen Herbstferien. Ein früherer Termin wäre „technisch möglich, aber rechtlich höchst waghalsig“ gewesen, sagte Landtagspräsident Bernd Busemann. Er hoffe auf eine hohe Wahlbeteiligung. Er rechne damit, dass noch am Montag alle vier Fraktionen einen Antrag auf Auflösung des Landtags stellen würden. Dieser könne dann in einer Sondersitzung am 21. August beschlossen werden.

Das gibt den Parlamentariern genug Zeit, um in der regulären Sitzung in der kommenden Woche noch die von allen getragene Soforthilfe für die Opfer des Hochwassers und andere dringende Vorhaben zu beschließen. Es wird vielleicht der letzte Moment von Einigkeit in dieser verkürzten Legislaturperiode sein. „Ab jetzt hat der Wahlkampf begonnen“, sagte SPD-Fraktionschef Johanne Modder nach dem Krisengipfel.