Beim NSU-Prozess soll eine Nebenklägerin zugelassen worden sein, die gar nicht existiert. Darüber gibt es im Gerichtssaal Streit – überraschenderweise zwischen den Verteidigern von Beate Zschäpe.

München - Die Affäre um eine erfundene Nebenklägerin hat am Mittwoch ein Nachspiel im Münchner NSU-Prozess gehabt. Drei der vier Verteidiger von Beate Zschäpe forderten das Gericht zu einer Erklärung auf, wie es dazu kommen konnte, dass das vermeintliche Kölner NSU-Anschlagsopfer namens Meral Keskin zur Nebenklage zugelassen werden konnte. Am Wochenende hatte sich herausgestellt, dass das vermeintliche Opfer gar nicht existiert.

 

Zschäpes im Juli neu berufener vierter Anwalt Mathias Grasel beschwerte sich, dass weder er noch seine Mandantin von den Anwälten Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm darüber informiert worden seien, dass sie in der Nebenklage-Affäre einen Vorstoß planen.

Zschäpe muss sich in dem Prozess für die Verbrechensserie des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) verantworten, darunter zehn Morde und der Nagelbombenanschlag 2004 in der Kölner Keupstraße.

Heer: „Keine Bedingungen für eine optimale Verteidigung“

Rechtsanwalt Heer sagte, die Bundesanwaltschaft habe bereits im März 2013 und damit vor Beginn des Prozesses den Verdacht geäußert, dass sich keine Hinweise darauf ergeben hätten, dass eine Frau Keskin Verletzte des Kölner Anschlags gewesen sei. Deshalb habe die Anklagebehörde „angeregt“, die „Nebenklageberechtigung von Frau Keskin“ zu überprüfen. Dem sei das Gericht aber nicht nachgekommen. Heer forderte „dienstliche Erklärungen“ der Richter, die mit der Zulassung der Nebenklägerin befasst waren.

Zschäpe-Mitverteidiger Grasel warf daraufhin ein, Zschäpe und er hätten „bisher keine Kenntnis“ von dem Vorstoß der drei anderen Verteidiger gehabt. Nach einer Unterbrechung wandte sich der Vorsitzende Richter Manfred Götzl an Heer mit der Frage, ob das stimme. Heer antwortete, das sei „nicht möglich“ gewesen. In der zweiwöchigen Prozesspause nach Grasels Berufung habe es keine interne Beratung unter den Verteidigern gegeben, „und das lag nicht an uns“.

Dies bestritt Grasel und erklärte, er und die drei anderen Anwälte hätten sich einmal zu einem zweistündigen Gespräch in seiner Kanzlei getroffen. Unwidersprochen blieb jedoch Heers Einwand, dass „keine Bedingungen für eine optimale Verteidigung“ vorlägen.

Zeugenvernehmung verschiebt sich wegen Streit der Verteidiger

Erst mit Verspätung setzte das Gericht die Vernehmung eines Mitgründers der „Kameradschaft Jena“ fort, der in den 1990er Jahren Sänger in einer Neonazi-Band war. Der Zeuge berichtete, er sei einmal mit Zschäpe und Uwe Mundlos zu einer Silvesterfeier nach Rostock gereist.

Zentraler Anlaufpunkt der Jenaer Szene war nach Aussage des Zeugen ein Laden, der von zwei mutmaßlichen Beschaffern der Mordwaffe vom Typ „Ceska“ betrieben worden sei. Dort habe es auch eine Kneipe gegeben, in der man sich oft getroffen habe.

Nicht bestätigen wollte der Zeuge die Rolle des wegen Beihilfe zum Mord mitangeklagten Ralf Wohlleben, der die Beschaffung der Pistole in Auftrag gegeben haben und nach Überzeugung der Bundesanwaltschaft eine „steuernde Zentralfigur“ gewesen sein soll. „Ich habe den da nie gesehen“, sagte der Zeuge.