Die Ergebnisse der Bundestagswahl wirken auf den Landtagswahlkampf in Niedersachsen. Plötzlich liebäugelt die CDU auch in Hannover mit einer Jamaika-Koalition.

Hannover - Die Ergebnisse der Bundestagswahl heizen den Wahlkampf auch in Niedersachsen an. Am 15. Oktober kommt es dort zu vorgezogenen Neuwahlen, nachdem die Grünen-Abgeordnete Elke Twesten zur CDU gewechselt war und die rot-grüne Mehrheit von SPD-Ministerpräsident Stephan Weil verloren ging.

 

Sowohl CDU als auch SPD zogen am Tag danach für sich die besten Schlüsse aus dem Bundesergebnis – beide sehen sich auf der Siegerstraße. Da ist zum einen Ministerpräsident Weil, dessen Partei 5,7 Prozentpunkte einbüßte, was ein leicht höherer Verlust ist, als die Genossen auf Bundesebene verbuchten. Selbstzweifel bei der SPD im Land verspürt Weil trotzdem nicht: „Ich erwarte eine Marscherleichterung für Niedersachsen“, sagte Weil dem Sender Phoenix am Montag. Die Menschen könnten genau zwischen Bundes- und Landesthemen unterscheiden. Nun sei es notwendig, sich in der Bundespartei thematisch neu aufzustellen. „Die SPD muss wieder als Zukunftspartei wahrgenommen werden. Das ist derzeit erkennbar nicht der Fall.“

Der SPD-Ministerpräsident ist populärer als der CDU-Herausforderer

Die SPD in Niedersachsen war bei der Bundestagswahl mit 27,4 Prozent der Stimmen weit unter die CDU gerutscht, die auf 34,9 Prozent kam. Auffällig ist, dass die beiden Parteien in den jüngsten Umfragen zur Landtagswahl wesentlich dichter beieinander lagen, die jüngste Meinungsumfrage hatte die SPD bei 32 und die CDU bei 37 Prozent gesehen. Bekannt ist auch, dass Landesvater Weil auf wesentlich höhere Popularitätswerte kommt als sein Herausforderer von der CDU, der Ex-Kultusminister Bernd Althusmann.

Der Parteienforscher Matthias Micus weist darauf hin, dass in Niedersachsen „ein ganz anderer Wahlkampf“ stattfinden werde als im Bund und das Kräfteverhältnis dort auch ein anderes sei. Als eine Erleichterung des Marschgepäcks für die SPD sieht auch Micus die Tatsache an, dass im Bund eine große Koalition ausgeschlossen wird. Denn die wäre für die Genossen in Hannover ein „Motivierungshemmnis“ geworden: „Die Partei hätte als opportunistische Machttruppe dagestanden.“

Frohlocken herrscht bei der CDU: Ihre Verluste fielen mit minus 6,2 Prozentpunkten geringer aus als im Bundesdurchschnitt (minus 8,6), und sie holten das zweitbeste CDU-Ergebnis in einem Bundesland. „In Niedersachsen ist die CDU klar stärkste Kraft und schneidet besser ab als im Bund“, freute sich CDU-Chef Althusmann und kündigte eine Verschärfung des Wahlkampfes an: „Wir wollen das Ganze noch mal zuspitzen, insbesondere auf die Frage an Herrn Weil, ob er ein rot-rot-grünes Bündnis ausschließen kann, was er sich bisher nicht traut.“ Ein Linksbündnis sei der Strohhalm, an den sich Weil klammere. Er, Althusmann, wolle die SPD auch in Hannover „zur Erneuerung“ in die Opposition schicken.

Die Grünen hoffen noch auf ein Überleben der amtierenden Koalition

Die Frage nach möglichen Koalitionen an der Leine stellt sich nun erst recht. Für das amtierende Rot-Grün wird es nicht reichen, und gegen eine große Koalition hatte sich Stephan Weil ausgesprochen. Diese halte er für extrem unwahrscheinlich, das Verhältnis zur CDU sei belastet. Auch für ein Bündnis von CDU und Liberalen wird es in Hannover nicht reichen, weshalb Althusmann von einer alten Position abrückte und plötzlich eine Jamaikakoalition mit CDU, FDP und Grünen für machbar hält. Eine große Koalition oder Jamaika seien „die Optionen“ nach der Landtagswahl, sagte er am Montag in Berlin. Allerdings sei die Jamaikavariante nicht seine Wunschkonstellation „und auch nicht die der Grünen“. Der scharfe Linkskurs der Grünen erschwere eine solche Zusammenarbeit.

Die Grünen – die im Kabinett von Weil vier von zehn Ministerposten innehaben – könnten sich Jamaika zur Not auch vorstellen. Die Hoffnung auf einen Fortbestand von Rot-Grün hat die grüne Fraktionschefin Anja Piel aber noch nicht aufgegeben: Dies sei „knapp“, aber machbar. Komme es nicht dazu, dann werde man mit „allen Parteien“ außer der AfD über eine mögliche Koalition ins Gespräch kommen. Damit schloss Piel also weder ein Bündnis mit der FDP noch mit den Linken aus.