In der Galerie Stihl Waiblingen eröffnet am Freitagabend eine Ausstellung mit Arbeiten des Künstler- und Liebespaars Niki de Saint Phalle und Jean Tinguely. Neben 100 Plakaten sind plastische Objekte wie Nanas und eine bewegliche, lärmende Plastik zu sehen.

Waiblingen - Sie heißen Clarice, Elizabeth oder Sophie und dürften selbst Menschen, die sich kein bisschen für Kunst interessieren, ein Begriff sein: Nanas – die üppigen, kunterbunten Frauengestalten. Mit deren Schöpferin, der Bildhauerin und Malerin Niki de Saint Phalle, beschäftigt sich eine Ausstellung, die am Freitagabend in der Galerie Stihl Waiblingen eröffnet wird. Dass auf den großen Plakatwänden, welche die Ausstellung ankündigen, ein Poster des Schweizer Künstlers Jean Tinguely abgebildet ist, hat seinen Grund: Jean Tinguely und Niki de Saint Phalle waren viele Jahre lang ein Paar, sie haben in einem Atelier zusammengearbeitet, sich gegenseitig unterstützt, beeinflusst und inspiriert.

 

„Bonnie und Clyde der Kunst“

„Wir waren die Bonnie und Clyde der Kunst, wir produzierten Bomben und explodierende Maschinen, und wir schossen auf Kunst“, so hat Niki de Saint Phalle ihre Beziehung mit und zu Jean Tinguely beschrieben. Mitte der 1950er-Jahre trafen sich der Sohn eines Arbeiters und die Tochter eines in der Weltwirtschaftskrise bankrott gegangenen adeligen Bankiers zum ersten Mal in Paris. Beide waren noch anderweitig verbandelt, aber fasziniert voneinander. Rund fünf Jahre später zogen die zwei zusammen.

„Sie haben sich gegenseitig angestiftet und bereichert“, sagt Silke Schuck, die Leiterin der Galerie und Kuratorin der Ausstellung, über das Duo, das mit seinen gemeinsamen Aktionen, immer wieder für Furore sorgte – etwa mit der Sprengung eines überdimensionalen goldenen Phallus in Mailand oder einer knapp 30 Meter langen, begehbaren Frauenskulptur in Stockholm, in deren einer Brust eine Milchbar, in der anderen ein Planetarium untergebracht war. Doch selbst die heute so beliebten Nanas haben einst Proteste ausgelöst. etwa die drei voluminösen Damen, die 1974 in Hannover installiert wurden.

Plakate statt Paravents

„Niki de Saint Phalle und Jean Tinguely waren starke Persönlichkeiten mit ganz eigenständigen Arbeiten, trotzdem war ihnen Gemeinschaft sehr wichtig“, sagt Silke Schuck und erzählt, dass sie um Niki de Saint Phalle während ihres Kunstgeschichtestudiums einen Bogen gemacht habe. „Niki de Saint Phalles Welt war bisher nicht meine Welt.“ Das hat sich in den vergangenen Wochen geändert. Da hat sich die Galerie-Leiterin plötzlich mehr oder weniger notgedrungen äußerst intensiv mit der Künstlerin beschäftigt, die als Kind von ihrem Vater missbraucht wurde. Denn die Vorbereitungen für die Ausstellung über kunstvolle Wände, Schirme und Paravents, die eigentlich am Wochenende eröffnen sollte, mussten gestoppt werden.

„Es hat sich gezeigt, dass sich das Konzept in der verfügbaren Zeit nicht umsetzen lässt. Es braucht mehr Zeit, um die teils sehr kostbaren Objekte vorzubereiten, damit sie überhaupt die Reise vom Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe nach Waiblingen antreten können.“ Ein Glück, dass Silke Schuck ein Mensch ist, der nach eigenem Bekunden gerne „Projekte ausheckt“. So sind nun also die „Furiosen Plakate“ von Jean Tinguely und Niki de Saint Phalle aus der Sammlung von Claus von der Osten zu sehen. Auf ihnen warben die Künstler für eigene Ausstellungen, aber auch für Film- und Theaterproduktionen im Auftrag anderer Veranstalter.

Maschinen-Skulptur von Jean Tinguely

Lithografien sowie Arbeiten in Sieb- und Offsetdruck sind in der Galerie Stihl zu sehen. Da hängt Tinguelys Plakat für das Jazzfestival 1982 in Montreux direkt neben dem Plakat, das Niki de Saint Phalle für das zwei Jahre später folgende Festival entworfen hat. Jedes hat seinen eigenen Stil – und doch blitzt an manchen Stellen der Einfluss des anderen Künstlers hervor. Auf Tinguelys Poster etwa bunte Federn, ein Vorschlag Niki de Saint Phalles. In der Ausstellung sind neben Plakaten einige ihrer Plastiken zu sehen, Tinguely ist mit einer für ihn typischen Maschinenkonstruktion vertreten, die Besuchern viel Spaß machen dürfte – und einen Höllenlärm verursacht.

Die Ausstellung und ihr Begleitprogramm

Eröffnung
„Furiose Plakate“ eröffnet am Freitag, 4. November, 18 Uhr, in der Galerie Stihl Waiblinger, Weingärtner Vorstadt 16. Die Ausstellung läuft bis zum 22. Januar und zeigt rund 100 Plakate, Faltbücher, Plastiken und Objekte.

Vorträge
Von Hans Arp und Sophie Taeuber-Arp bis Raoul Hausmann und Hannah Höch – das Phänomen der Künstlerpaare ist Thema eines Vortrags, den Karoline Künkler am Donnerstag, 24. November, 19 Uhr, in der Galerie hält. Am 17. Januar beleuchtet Beate Kemfert, was ihre Recherchen zu Niki de Saint Phalle und dem Theater als Inspirationsquelle ergeben haben.

Film
Das Kommunale Kino Waiblingen zeigt am 4. Januar Peter Schamonis Dokumentarfilm über Niki de Saint Phalle, der einen umfassenden Einblick in die Biografie der Künstlerin gibt.

Infoabend
Die Kunstschule Unteres Remstal bietet begleitend zur Ausstellung Workshops für Kindergarten- und Schulkinder an. Welche, darüber können sich Pädagogen am 16. November von 18 Uhr an informieren (Anmeldung).

Kindergarten
Schon die Kleinsten dürfen mitmischen, zum Beispiel beim Angebot „Rassel-Krach-Bumm“, bei dem Kinder ab vier Jahren nach einem Ausstellungsbesuch eine verrückte Zeichnung einer Fantasiemaschine nach Jean Tinguelys Vorbild entwerfen dürfen. Danach wird mit allerlei Gerätschaften ordentlich Krach gemacht. Kinder ab fünf Jahren dürfen einfache Drucktechniken ausprobieren oder eine Nana-Plastik gestalten.

Grundschule
Für Grund- und Förderschüler bietet die Kunstschule Workshops, in denen gedruckt, gezeichnet, gepinselt und getuscht wird. Zudem werden Skulpturen aus Papier, Gips und Draht angefertigt oder eine Klangmaschine gebaut.

Heranwachsende
Auch Schüler weiterführender Schulen dürfen plastische Figuren entwickeln, sich im Siebdruck üben, Klangmaschinen aus Recyclingmaterial entwerfen oder Schrift als Gestaltungselement ausprobieren.