Fahrrad fahren, Flaggen hissen, Demonstrieren: Der Protest gegen Atomwaffen ist vielfältig – und nobelpreisgekrönt. Roland Blach gehört zu den ausgezeichneten Aktivisten. 

Region: Verena Mayer (ena)

Marbach - Roland Blach kämpft seit über 20 Jahren gegen Atomwaffen. Am vergangenen Freitag hat er dafür den Friedensnobelpreis bekommen. Gut, nicht er persönlich, sondern die Organisation Ican, zu der viele Initiativen gehören, die Roland Blach koordiniert. Es war also mehr als angemessen, daheim in Marbach, auf die höchstmögliche Auszeichnung mit Sekt anzustoßen. „Ich bin noch immer leicht entrückt“, sagt der 48-Jährige. Überglücklich ist er auch. Und voller Tatendrang.

 
Herr Blach, haben Sie heute schon einen Baum umarmt?
Nein, aber vielleicht mache ich das nachher noch. Das ist eine gute Idee.
Geht man anders durch die Straßen, wenn man den Friedensnobelpreis bekommen hat?
Ja, definitiv. Ich bin erfüllt mit Freude und mit Demut. Vor meinem inneren Auge laufen viele Aktionen ab, die wir in den vergangenen 20 Jahren initiiert oder begleitet haben. Und ich denke an die Menschen, die wir getroffen, vernetzt und motiviert haben. So laufe ich im Moment leicht entrückt durch die Straßen. Wahrscheinlich habe ich deshalb auch vergessen, einen Baum zu umarmen.
Dass heutzutage so ziemlich jedem in Deutschland der Ort Büchel ein Begriff ist, ist auch Ihnen zu verdanken.
Auch wenn es unbescheiden klingt, man kann das so sagen. Vor über 20 Jahren habe ich mit geholfen, das Thema überhaupt bekannt zu machen. Bis dahin wussten ja die wenigsten, dass in dem kleinen Ort in Rheinland-Pfalz die letzten amerikanischen Atomwaffen gelagert werden. Dank der Kampagne „Büchel ist überall – atomwaffenfrei jetzt“ hat sich das sehr gewandelt, und über den Fliegerhorst wird regelmäßig berichtet.
Ebenso wie über die Pacemakers, eine Ihrer anderen Projekte. Sind Sie stolz?
Es freut mich sehr, dass es uns gelungen ist mit diesem Radmarathon, eine Marke zu setzen. Die 340 Kilometer lange Strecke ist seit 13 Jahren jedes Mal ausgebucht mit 150 Teilnehmern. Und dieses Jahr haben wir sogar eine dreitägige Reformationstour veranstalten können, bei der 35 „Schrittmacher“ von Bretten nach Wittenberg geradelt sind, um für eine Welt ohne Atomwaffen zu werben. Es ist ein großartiges Gefühl, zu wissen, dass so viele Menschen hinter dieser Idee stehen. Wir haben inzwischen auch viele Bürgermeister als Partner.
Bürgermeister?
Jedes Jahr am 8. Juli beflaggen 250 Städte in Deutschland ihr Rathaus mit der Flagge der Mayors for Peace. Als Zeichen für eine atomwaffenfreie Welt. In der Bewegung selbst sind weltweit 7500 Städte Mitglied. Damit stehen Millionen von Menschen hinter der Sache. Das ist irre toll. Das hätte ich mir vor fünf Jahren nie träumen lassen.
Wie sieht Ihre Zusammenarbeit mit Ican genau aus?
Dieses Jahr zum Beispiel war ich Mitglied des Runden Tisches, den Ican-Deutschland eingerichtet hat, um die Lobbyarbeit für den Atomwaffenverbotsvertrag zu organisieren. Wir haben Briefe an Minister und Bundestagsabgeordnete geschrieben, mit Ihnen diskutiert. Wir haben eine Homepage unterstützt und – ganz einfach gesagt – versucht, das Thema so bekannt wie möglich zu machen und das Bewusstsein bei den Bürgern dafür zu schaffen, dass Atomwaffen verboten gehören.
Trotzdem wird Deutschland den Vertrag nicht unterschreiben. Weil nukleare Abschreckung nun mal zur Strategie der Nato gehöre. Macht Sie das wütend?
Ja! Deutschland hat ja nicht einmal die Gelegenheit genutzt, mit zu verhandeln. Sich einfach aus dem Staub zu machen, finde ich schon ein bisschen feige. Das zeigt für mich auch, dass Weltpolitik heute immer noch auf der Basis von 1945 abläuft und der Weltkriegsordnung danach: Fünf Atommächte teilen sich die Welt so ein, wie sie das wollen. Wenn man ein bisschen Courage hätte, könnte Deutschland aus seiner zögerlichen Rolle raus kommen. Daher appelliere ich an Frau Merkel: Schreiben Sie mit uns Geschichte und unterzeichnen Sie den Verbotsvertrag.
Fast alle Kommentatoren bewerten es als toll, dass die Kämpfer für eine Welt ohne Atomwaffen den Friedensnobelpreis bekommen – gleichzeitig sind sie sicher, dass dieses Ziel nie zu erreichen ist. Ärgert Sie das?
Schon im Juli, als die Vereinten Nationen mit den Stimmen von 122 Staaten das Verbot für Atomwaffen beschlossen haben, sagten viele, das sei Symbolpolitik. Die Atommächte hatten sich an den Verhandlungen ja gar nicht erst beteiligt. Trotzdem wird dieser Tag in die Geschichtsbücher eingehen, er stellt eine Zäsur der Nachkriegsordnung dar. Natürlich geht die Arbeit damit erst richtig los, man muss all jene überzeugen, die an die atomare Abschreckung glauben. Aber der Vertrag ist ein Anfang. Und dass wir nun den Friedensnobelpreis haben, ist wunderbar. Damit können wir noch mal ganz anders auftreten.
Während Donald Trump und Kim Jong Un drohen, ihre Länder gegenseitig mit Atomwaffen nieder zu bomben?
Millionen Menschen stehen auf unserer Seite.
Aber die hohen Herren müssen nur auf einen Knopf drücken.
Es stimmt, wir haben eine sehr große Gefahr – aber auch eine sehr große Bewegung. So viele Menschen an der Seite lassen mich glauben, dass nicht zwei Bekloppte auf die Idee kommen, einen Krieg anzufangen. Und die Botschaft des Friedensnobelpreises ist ja auch: Macht weiter, lasst euch nicht beirren!
Was kann jetzt, nach der höchst möglichen Auszeichnung, noch kommen?
Dass wir unser Ziel erreichen! Eigentlich erscheint es unvorstellbar, dass wir die atomare Abschreckung überwinden. Das sitzt so tief in Köpfen und Herzen drin – aber das müssen wir schaffen. Wir müssen raus auf die Straßen und rein in die Klassenzimmer. Wir müssen weltweit die Friedenserziehung massiv ausbauen. Wir müssen dranbleiben, dranbleiben, dranbleiben. Mit Herz und Verstand. Und mit dem Friedensnobelpreis können wir das auch mutig und mit Selbstbewusstsein tun.

Engagiert

Mensch
Roland Blach, 48, ist seit 1996 in der Friedensbewegung aktiv und dabei schwerpunktmäßig für die atomare Abrüstung im Einsatz. Seit 2002 führt er die Geschäfte der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) in Baden-Württemberg. In dieser Funktion koordiniert der Marbacher zahlreiche Kampagnen.

Gruppe
Die internationale Kampagne zur atomaren Abrüstung (Ican), die mit dem diesjährigen Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden ist, ist ein Bündnis aus 450 Friedensgruppen und Organisationen. Ihr bislang größter Erfolg ist ein UN-Vertrag zum Verbot von Atomwaffen, der im Juli in New York unterzeichnet wurde. Ihren Sitz hat die Gruppe in Genf.