Einmal im Jahr reisen zahlreiche Nobelpreisträger nach Lindau an den Bodensee und treffen dort auf junge Forscher. Die Gespräche können technisch sein, auch menschlich – und manchmal skurril. Die StZ berichtet ab dem 28. Juni aus dem Geschehen.

Stuttgart - Am Sonntag treffen sich zum 65. Mal die Nobelpreisträger im hübschen, kleinen Städtchen Lindau am Bodensee. 60 Naturwissenschaftler, drei Naturwissenschaftlerinnen, der Schriftsteller Wole Soyinka und der Kinderrechtsaktivist Kailash Satyarthi haben sich angekündigt. Auf sie warten rund 650 junge Forscher, die sich in einem internationalen Wettbewerb um die Tickets bemühen mussten. Die einwöchige Tagung gibt immer einen Strauß an Eindrücken – und in diesem Jahr dürfte er noch bunter ausfallen als sonst, denn das Thema lautet: interdisziplinär.

 

Ohnehin dürfen die Nobelpreisträger reden, worüber sie wollen. Peter Grünberg, der den Riesenmagnetowiderstand mitentdeckt hat, auf dem Millionen von Festplatten beruhen, untersuchte beispielsweise einmal die Harmonien in der volkstümlichen Musik aus dem Alpenraum. Luc Montagnier, einer der Entdecker des HI-Virus, referierte wiederum über das „Gedächtnis“ von Wasser – was sich reichlich esoterisch anhörte. Und der Physik-Nobelpreisträger Ivar Giaever klärte sein Publikum über die einseitige Propaganda zum Klimawandel auf. Ein Nachmittag Google-Recherche genüge doch, um zu erkennen, dass nichts Dramatisches drohe (hier mein Bericht aus dem Jahr 2012). Auch nach solchen Vorträgen heißt es dann: „Thank you for this inspiring talk“, und der Nächste kommt dran.

Die Tagung live verfolgen

Aber natürlich sind das Ausnahmen. Die meisten reden über ihre preisgekrönte Forschung oder das, was daraus folgte, sie machen den jungen Zuhörern Mut und geben ihnen gut gemeinte Ratschläge. Und mit den Jahren – ich war 2008, 2010 und 2012 in Lindau – scheint mir die Tagung politischer zu werden. Die Nobelpreisträger setzen sich in diesem Jahr zum Beispiel mit der Forderung auseinander, vorerst nicht weiter mit den neuen gentechnischen Methoden wie CRISPR zu experimentieren, solange die Gesellschaft nicht darüber nachgedacht hat, ob sie therapeutische Eingriffe in das menschliche Erbgut erlauben will. Ein anderes Thema betrifft das junge Publikum direkt: Wie macht man heutzutage in der Wissenschaft Karriere? Die Zeit zwischen Studium und Professur ist lang und risikoreich.

Für alle, die nicht dabei sein können, bietet die Lindauer Tagung einen Blog, einen Twitter-Stream und zwölf Videos aus den Labors der Nobelpreisträger. Und am Donnerstag diskutiert eine Runde über die Frage, ob die Wissenschaft nicht inzwischen schon zu viel Öffentlichkeitsarbeit betreibt: „Communication Overkill?“, lautet der Titel der Veranstaltung. Über diese und andere Veranstaltungen werde ich in meinem Heureka-Blog berichten; die Tweets von meinem Twitter-Account laufen hier ein. Am Sonntag um 15 Uhr geht es los.