Der Verkauf der Handysparte von Nokia an Microsoft trifft die Finnen – allerdings härter emotionell als wirtschaftlich. Denn der Konzern hatte zuletzt an Bedeutung verloren.

Helsinki - Nokias Aufsichtsratsschef Risto Siilasmaa traf die Stimmung vieler seiner Landsleute, als er den Verkauf der Handy-Sparte an Microsoft kommentierte: „Geschäftlich gesehen, ist das alles vernünftig und richtig. Aber emotionell ist es hart.“ Für Finnland ist der Aufstieg Nokias von der Gummifabrik zum weltweit zweitgrößten Mobiltelefonproduzenten ein Stück nationaler Identität: wie man sich mit Geschick und Talent aus der Krise hoch rappelt und zum Vorbild wird. So wurde die Nachricht vom Verkauf des Kleinods in Helsinki mit Bestürzung und Trauer aufgenommen. „Wie ist das doch schade“, sagte eine Passantin stellvertretend für viele dem finnischen Fernsehen. Selbst hartgesottene Investoren bekamen bei der Nachricht feuchte Augen. „Ich habe gemischte Gefühle, weil ich Finne bin. Als finnischer Bürger kann ich diesen Deal nicht mögen“, sagte Fondsmanager Juha Varis von Danske Capital: „Andererseits war der Verkauf vielleicht der letzte Ausweg.“

 

Schade, aber notwendig – so denken viele über das Geschäft. Denn im Handygeschäft sah das Unternehmen, das den Umstieg auf Smartphones verschlief und mit dem Lumia-Telefon den Marktführern Samsung und Apple hinterher hechelte, keine Zukunft mehr. Mit der Handyproduktion wandern 32 000 der 56 000 Mitarbeiter, die der Konzern weltweit beschäftigte, zu Microsoft ab. Was bleibt, sind drei Sparten, die Nokia einen „Neuanfang“ ermöglichen sollen, wie Ministerpräsident Jyrki Katainen hofft: die Netzwerktechnik im bisherigen Tochterunternehmen NSN, in dem Nokia erst vor einem Monat Siemens ausgekauft hat, der Kartendienst Here und der Produktbereich „advanced technologies“, der dafür sorgen soll, dass die Finnen auch weiterhin in der Patentpalette führend sind.

Ein Bergbau-Ingenieur gründete einst die Fabrik

Begonnen hat die Geschichte von Nokia vor fast 150 Jahren. Der Bergbau-Ingenieur Fredrik Idestam gründete 1865 im Südwesten Finnlands eine Fabrik für Papierprodukte, nahe der Stadt Tampere. Wenige Jahren später kam eine zweite Papiermühle in der Nähe hinzu. Der Standort war am Fluss Nokianvirta gelegen, nach welchem Idestam 1871 sein Unternehmen benannte. Das Unternehmen erzeugte später Gummistiefel, Autoreifen, dann Billig-Fernseher für deutsche Warenhäuser, ehe der damalige Konzernchef Jorma Ollila alles auf die GSM-Technik setzte und damit alles gewann. Jetzt wartet eine Zukunft als Netzwerkausrüster und Hightech-Entwickler auf das, was von Nokia übrig bleibt. Die Finnen klammern sich daran, dass Microsoft-Chef Steve Ballmer versprach, die Forschungsabteilung in ihrem Land zu belassen und Finnland zum „europäischen Kern für Microsoft“ zu machen.

„Eine Epoche geht zu Grabe“, sagt die Telekom-Analystin Helena Nordman-Knutsson. Doch tatsächlich war die Bedeutung Telekommunikationskonzerns für Finnland seit langem geschrumpft. Im Jahr 2000 stand der Konzern alleine für mehr als vier Prozent der finnischen Wirtschaftsleistung, zehn Jahre später waren es nur noch fünf Promille. Im Vorjahr färbten Nokias Verluste im Handybereich die Bilanz gar negativ.

Nokia ist jetzt nicht mehr Finnlands größtes Unternehmen

An der Börse von Helsinki machten die Nokia-Papiere einst mehr als die Hälfte des Gesamtwerts aus. Für die Aktionäre wenigstens gab es gestern immerhin wieder Grund zur Freude. Die Aktie zog steil nach oben, zeitweilig um mehr als 40 Prozent auf bis zu 4,30 Euro. Bis zum Höchstwert von 65 Euro, den das Papier vor dem Platzen der IT-Blase erzielte, ist es allerdings ein weiter Weg. Künftig ist Nokia allerdings nicht mehr Finnlands größtes Unternehmen. Das ist dann der Ölkonzern Neste.