Norbert Zeller hat jahrzehntelang für die Gemeinschaftsschule in Baden-Württemberg gekämpft. Jetzt geht er in den Ruhestand. Von politischem Zwist will er nichts wissen.

Stuttgart - Sein Herz schlägt für die Gemeinschaftsschule, sagen die Freunde von Norbert Zeller. Seine Kritiker nennen den Bildungspolitiker vom Bodensee rundheraus einen Ideologen. Unbestritten ist der Mann ein Überzeugungstäter. Er hat in den Jahren seit dem Regierungswechsel in Baden-Württemberg unermüdlich für die neue Schulart und das längere gemeinsame Lernen getrommelt, ist durch das Land getingelt, hat Überzeugungsarbeit geleistet und Vorbehalte auszuräumen versucht. Manchen hat er dabei vor den Kopf gestoßen. Wie etwa den Remsecker Realschulrektor, dem es vorkam, als habe Zeller ihm nach kritischen Bemerkungen zur Bildungspolitik einen Maulkorb verpasst.

 

Innerhalb von drei Schuljahren sind im Südwesten 209 Gemeinschaftsschulen aus dem Boden geschossen. Anfang Februar wird Kultusminister Andreas Stoch (SPD) weitere Standorte verkünden. Norbert Zeller konnte die Ausweitung nicht schnell genug gehen. Er drückte so sehr aufs Tempo, dass selbst sein Parteifreund, der Minister, gelegentlich die Bremse suchte.

Ans Steuer in Sachen Gemeinschaftsschulen war Zeller eher überraschend gekommen. Nach 23 Jahren als Landtagsabgeordneter hatte der Friedrichshafener Sozialdemokrat bei der Wahl 2011 den Wiedereinzug in den Landtag verfehlt. Doch die SPD übernahm das Kultusministerium und richtete zur Verwirklichung ihres zentralen bildungspolitischen Anliegens im Ministerium eine eigene Stabsstelle Gemeinschaftsschule und Inklusion ein.

Ausdruck des Misstrauens

Zum Verdruss vieler Ministerialer übernahm ausgerechnet Norbert Zeller die Stabsstelle. Als langjähriger bildungspolitischer Sprecher der SPD hatte er es im Parlament quasi zum Chefkritiker des Ministeriums gebracht. Die Stabsstelle wurde als Ausdruck des Misstrauens der neuen Führung gegen die alten Mitarbeiter verstanden, als „Raumschiff“ ohne Anbindung an die erfahrene Verwaltung. Schnell wurden auch Reibereien zwischen Zeller und der damaligen Chefin Gabriele Warminski-Leitheußer (SPD) bekannt, Zeller fühle sich wohl als der bessere Kultusminister, hieß es.

Zum 1. Februar löst Kultusminister Stoch jetzt die Stabsstelle auf. Es wird ein neues Referat Gemeinschaftsschulen eingerichtet. Der 64 Jahre alte Zeller gehe auf eigenen Antrag in den Ruhestand, teilt das Ministerium mit. Die Gemeinschaftsschulen seien zunehmend etabliert, die Aufbauarbeit sei geleistet, jetzt sei der Zeitpunkt gekommen, die neue Schulform in die Struktur des Hauses einzugliedern, lässt Stoch ausrichten. Das kann zum inneren Frieden beitragen.

Doch der zweite Aufgabenbereich der Stabsstelle, die Inklusion, ist noch lange nicht abgearbeitet. Das Land arbeitet an einer Schulgesetzänderung. Stoch würdigt seinen scheidenden Parteifreund auch hier. Die Inklusionsnovelle trage ebenfalls die Handschrift des Sonderpädagogen Zeller. Künftig soll es für die Inklusion eine neue zentrale Steuerungsinstanz geben. Die endgültige Entscheidung dazu falle in Kürze.

Dritte Personalie

Zeller ist bereits die dritte Personalie, mit der Stoch, der seit 2012 im Amt ist und als ausgesprochen pragmatisch gilt, von sich reden macht. Er schasste die Amtschefin Margret Ruep ebenso wie seinen Pressechef. Ruep war vorgeworfen worden, sie bilde Doppelstrukturen und nutze den Sachverstand der Mitarbeiter nicht.

Von Zwist will Zeller nichts wissen. Jetzt sei der richtige Zeitpunkt, in den Ruhestand zu gehen. Da sei er mit Stoch völlig einig. Es sei schon auch ein Knochenjob gewesen, so viel im Land herumzureisen, erzählt Zeller. Zusammen mit dem Minister habe die Stabsstelle einiges bewegen können. Der Hardliner sagt, er habe sich teilweise korrigiert: „Ich hatte anfangs ein anderes Bild von der Schulverwaltung. Das sind größtenteils hochmotivierte Leute“. Auf die Schulräte jedenfalls lasse er nichts kommen, sagt Zeller zum Abschied. Und höchst loyal wünscht er, „dass der nächste Kultusminister wieder Andreas Stoch heißt“.