Ist Investor Patrizia der Stadt Stuttgart beim Kauf der LBBW-Wohnungen entgegen gekommen? Finanzminister Schmid widerspricht.
Stuttgart - "Die 60 000 Mieter in Baden-Württemberg können jetzt ruhiger schlafen.“ Das hat Stuttgarts Oberbürgermeister Wolfgang Schuster (CDU) am Freitag nach Abschluss der Verhandlungen mit der Patrizia Immobilien AG verkündet. Der bisher von der Rathausspitze als unzureichend bezeichnete Schutz für die Mieter der insgesamt 21 000 Wohnungen, die ein Konsortium unter Patrizia-Führung von der Landesbank (LBBW) erworben hat, habe in den Gesprächen mit dem Vorstandschef Wolfgang Egger verbessert werden können.
Schuster und der Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) sprachen von einem „deutlich verbesserten Mieterschutz, höheren Instandhaltungsinvestitionen und einem längerfristigen Erhalt des Kernbestands an preisgünstigen Wohnungen. Die Stadt war am sogenannten BW-Konsortium beteiligt, das bei der Ausschreibung unterlegen war – wegen eines um 30 Millionen Euro geringeren Angebots bei einem Kaufpreis von rund 1,4 Milliarden Euro. Föll hatte vergeblich darauf spekuliert, dass sich Vorstand und Aufsichtsrat der Landesbank von der um 120 Millionen Euro teureren Sozialcharta des BW-Konsortiums überzeugen ließen.
Der Vorsitzende des Stuttgarter Mietervereins, Rolf Gaßmann, sagt, das jetzt im Nachgang von der Stadt erreichte Verhandlungsergebnis bedeute eine wesentliche Verbesserung – aber nur für den Fall, dass es nicht bei Absichtserklärungen bleibe.
Schmid widerspricht Schuster und Föll
Offenbar hat Manager Egger der Rathausspitze dargelegt, mit den rund 21 000 Wohnungen nicht in Heuschrecken-Art verfahren zu wollen. Patrizia habe „großes Interesse an einer Zusammenarbeit mit der Stadt und den beteiligten Kommunen“. Deshalb habe das Unternehmen zugestimmt, die von der LBBW der Vergabe zugrunde gelegte Sozialcharta zu erweitern. Man sei sich „der großen Verantwortung gegenüber Mietern und Beschäftigten der LBBW Immobilien GmbH sowie den Kommunen bewusst“, erklärte Egger. Mit der Erweiterung der Sozialcharta wolle das Konsortium „die Grundlage für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit“ legen – schließlich sei in Baden-Württemberg ein langfristiges Engagement geplant.
Die sozialen Verpflichtungen, die im Kaufvertrag nun festgeschrieben würden, gingen deutlich über die Forderungen von Bankvorstand und -aufsichtsrat hinaus, sagte Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) am Freitag auf Anfrage. Deren Versäumnisse bei der Vergabe habe man aber nicht vollständig kompensieren können. Gemeint sind die Aufsichtsratsmitglieder der politischen Konkurrenz, Finanzminister Nils Schmid, der Fraktionschef im Landtag, Claus Schmiedel (beide SPD) und der Chef der Staatskanzlei Klaus-Peter Murawski (Grüne). Schuster und Föll sehen ihre Ziele für Mieter und Wohnungen nun „im Wesentlichen erreicht“, das erreichte Ergebnis habe „einen hohen sozialen und materiellen Wert“.
Der Finanzminister widersprach am Freitag gegenüber der Stuttgarter Zeitung energisch dieser Darstellung. Er wundere sich über die Mitteilung, denn es gebe keinen neuen Sachstand. Die jetzt gefeierten Verbesserungen seien bereits Bestandteil des ursprünglichen Angebots der Patrizia gewesen. Dies sei eine Motivation gewesen, sich für den Anbieter zu entscheiden. Kämmerer Föll reagierte auf die Kritik Schmids mit Unverständnis: „Davon war in den Verhandlungen nie die Rede – weder von Seiten der LBBW noch von Patrizia.“
Klotz: "Ein Lob an die Rathausspitze"
Konkret geht es darum, das Kündigungsverbot wegen Eigenbedarfs jetzt von zehn auf 20 Jahre zu verlängern und so lange mindestens 18 000 der 21 000 Wohnungen zu behalten. Neu soll zudem sein, 98 Millionen Euro mehr für Instandhaltung einzusetzen als die LBBW gefordert hat, und dass Mieterhöhungen wegen energetischer Sanierungen durch die Sozialcharta begrenzt würden. Diese dürften drei Prozent pro Jahr plus Inflation betragen – im Schnitt. Das sei das Problem, meint Mieterbundchef Gaßmann: Während in strukturschwachen Gebieten die Mieten unverändert blieben, drohten im Ballungsraum Anpassungen im zweistelligen Bereich.
Der Grünen-Fraktionschef Peter Pätzold sagte: „Auf den ersten Blick liest sich das Papier wie ein Zeichen des guten Willens.“ Er frage sich allerdings, was Patrizia im Gegenzug von der Stadt erwarte. Roswitha Blind, SPD-Frontfrau im Rat, meinte: „Das hört sich zunächst mal alles gut an, muss aber noch im Detail geprüft werden.“
Anders CDU und FDP. „Ein großes Lob an die Rathausspitze“, so der CDU-Fraktionsvorsitzende Alexander Kotz. Jeder Schritt zu mehr Mieterschutz sei ein guter Schritt für die Mieter und die Stadt. Und sein Pendant bei der FDP, Bernd Klingler, sieht sich durch das Verhandlungsergebnis bestätigt: „Ich habe gleich gesagt, dass das Konsortium um die Patrizia keine Heuschrecke ist.“ Für die Freien Wähler freut sich Jürgen Zeeb vor allem über die zusätzlichen Investitionen in die Sanierung: „Das gibt Aufträge für das Handwerk.“