Viele Betreuer, kein Team, ohne Zukunft: Tim Hug ist der einzige Kombinierer der Eidgenossen bei der nordischen Ski-WM.

Lahti - Es gibt durchaus Schweizer, die ihren Landsleuten einen gewissen Hang zu Egoismus und Eigenbrötlerei bescheinigen. Tim Hug (29) kommt aus Einsiedeln, er ist einer dieser eidgenössischen Einzelkämpfer. Allerdings weder aus Überzeugung noch aus Leidenschaft. Sondern weil er muss. Hug ist Kombinierer – der Einzige der weltbekannten Wintersport-Nation. Wenn er seine Karriere irgendwann beendet, vielleicht ja schon nach den Olympischen Spielen 2018 in Pyeongchang, dann ist seine Disziplin in der Schweiz ausgestorben. Eine zweite Garde? Talente? Nachwuchs? Fehlt völlig. Oder wie Hug es mit Traurigkeit in der Stimme ausdrückt: „Da kommt nix. Gar nix.“

 

Kein Wunder, dass Hug auf die nordische Ski-WM in Finnland gleich aus zwei Gründen hingefiebert hat. Sportlich, da er sich in sehr guter Form wähnte. Aber vor allem emotional, weil er in Lahti endlich mal nicht allein ist. Sondern Teil eines Teams. „Ich genieße es, in einer Gruppe mit den Springern und Langläufern zu sein“, sagt er, „das ist eine sehr schöne Abwechslung.“ Auch wenn die Zeit schon bald wieder vorbei ist.

An diesem Mittwoch steht für Hug der letzte Wettkampf an, von der Großchance. Anschließend fliegt er wieder nach Hause, während sich der Rest des Feldes auf den Teamsprint am Freitag vorbereitet. Dann starten aus jeder Nation zwei Athleten zu einer Art Mini-Staffel. Hug fehlt der zweite Mann. „Es ist schon schade, dass ich dann außen vor bin“, meint er, „aber es ist halt nicht zu ändern.“ Das sieht mittlerweile auch der Ski-Verband in der Schweiz so.

Die Kombination hat Tradition in der Schweiz

Jahrelang haben die Funktionäre versucht, weitere Athleten und Talente zu finden. Schließlich hat die Kombination bei den Eidgenossen durchaus Tradition, in Hippolyt Kempf gibt es sogar einen Olympiasieger (1988 in Calgary). Doch der Verband hätte sich auch vornehmen können, St. Moritz zum Hauptreiseziel für Pauschalurlauber zu machen – es wäre genau so aussichtslos gewesen. Es fanden sich weder Jugendliche noch Vereine, die Geld und Zeit in die Nachwuchsarbeit investiert hätten. Nun gibt es, wie auf der Homepage von Swiss-Ski nachzulesen ist, zwar einen Disziplinenchef für die Nordische Kombination, einen Trainer, einen Arzt, eine Physiotherapeutin, einen Masseur und einen Servicemann, aber seit nun schon vier Jahren eben nur einen Athleten: Tim Hug.

Der Student (Erneuerbare Energien und Umwelttechnik in Rapperswil) ist zwar Einzelkämpfer, aber deswegen nicht ohne Ehrgeiz. Im Gegenteil. Hug hat mittlerweile fast 100 Weltcuprennen bestritten und sechs Top-Ten-Platzierungen vorzuweisen, darunter sogar einen Sieg: 2014 lag er im russischen Tschaikowski vorne. Damals fehlten zwar einige der Weltbesten, aber das interessiert längst niemanden mehr. Zumal Hug immer wieder zeigt, dass ihm zu einem absoluten Topmann nicht viel fehlt. Im WM-Wettbewerb von der Normalschanze landete er in Lahti auf Rang 15, der neuntplatzierte Finne Eero Hirvonen war nur drei Sekunden schneller. „Schade, unter die besten zehn wäre ich gerne gekommen“, meinte der Solo-Schweizer, „aber am Ende ging mir die Kraft aus.“ Auf der Strecke. Aber auch mental ist es nicht einfach, meist allein zu sein.

Hug hat seine Entscheidung für die Kombination nie bereut

Im Gegensatz zum Beispiel zu den Deutschen, die nach jedem Training genau wissen, wo sie aktuell in der Weltspitze stehen, ist Hug ziemlich orientierungslos unterwegs. Er darf zwar an Lehrgängen der eidgenössischen Skispringer und Langläufer teilnehmen, wie seine Konkurrenten trainieren, erlebt er aber nie. Und beim Skiservice hat er sich zwar den Norwegern angeschlossen, gehört aber auch hier natürlich nicht richtig dazu. Trotzdem hat er nie bereut, sich für die Kombination entschieden zu haben.

Mit acht Jahren nahm Hug an einem Schnupperspringen teil, danach wusste er, dass er diesen Adrenalinkick weiterhin haben will. Aber eben nicht nur. „Ich bin ein sehr vielseitiger Sportler“, sagt er, „Springen allein wäre mir zu langweilig gewesen.“ Es musste schon die Königsklasse des nordischen Skisports sein. Auch wenn deren Zeit in der Schweiz bald abläuft.