Wer in der Loipe etwas gewinnen will, der braucht eine gute Technik – und gute Techniker. Erst recht bei einer WM. Für die Deutschen läuft es in Lahti wie geschmiert, was nicht selbstverständlich ist. Sondern das Ergebnis harter Arbeit.

Lahti - Die Norweger sind das Maß der Dinge im Langlauf. Nirgendwo wird mehr trainiert, gefördert, investiert. Keine andere Mannschaft ist ähnlich groß, geschlossen und schnell. Zumindest im Schnee. Auf der Autobahn haben die Deutschen die Norweger in diesem Winter überholt. Willkommen beim Wettkampf der Wachser.

 

Das Areal, in dem bei der WM in Lahti alles glatt gebügelt wird, ist von Sicherheitspersonal abgeriegelt. Zwischen dem Langlaufstadion und dem Vip-Parkplatz sind die Serviceleute zu Hause. Hier steht Laster an Laster. Die Größen differieren, doch auf die Größe allein kommt es nicht an. Sondern vor allem auf das feine Händchen beim Präparieren der Ski. Wobei: Ein bisschen jungenhafte Protzerei ist doch im Spiel, als Stefan Schwarzbach, der Pressesprecher des Deutschen Ski-Verbandes (DSV), über Kraft und Können der neuen Sattelzugmaschine spricht. Mit 500 PS ist der MAN-Truck der stärkste im Feld, als einziger verfügt er über zuschaltbaren Allradantrieb. Da können selbst die Norweger nur hinterherschauen.

Was sich anhört wie oberflächliche Prahlerei, hat tiefgreifende Bedeutung. Weil der Blick auf die Wachstrucks zeigt, wie teuer erkauft auch im Langlauf und in der nordischen Kombination der Erfolg mittlerweile ist. Rund 500 000 Euro kostet der 18-Tonner der Deutschen, angeblich zwei Millionen Euro das Gefährt der Norweger, das in alle Richtungen ausgefahren werden kann. Sogar nach oben, bis ein kompletter zweiter Stock entsteht. Womit die Größenverhältnisse wieder zurechtgerückt wären.

Doch schon der Wachstruck der deutschen Langläufer beeindruckt. Auch er ist ausfahrbar, bietet neun Arbeitsplätze mit identischer Ausstattung: Es gibt Vorrichtungen, in denen die Ski eingespannt werden können, Bügeleisen, Bürsten und Absauganlagen, die giftige Dämpfe und Feinstaub direkt nach draußen befördern. Außerdem je fünf Schubladen, die voll sind mit Wachsdosen.

Der deutsche Wachstruck kostet 500 000 Euro

Um die Ecke befinden sich zwölf Apothekerschränke für die Ski. Rund 350 Paar können transportiert werden, weitere 300 befinden sich in einem separaten Transporter – jedem der elf Langläufer, die in Lahti sind, stehen zwischen 30 und 50 Paar zur Auswahl. An einer Wand des Wachstrucks ist ein großes TV-Gerät angebracht, gegenüber steht ein Laptop, das die neuesten Wetterdaten anzeigt. Über einigen Arbeitsplätzen hängen Kalender mit leicht bekleideten Frauen, die persönliche Note bei Cheftechniker Chris Hönig besteht aus einem Netz Zwiebeln – falls das mitgebrachte Vesperbrot mal ein bisschen fad schmeckt. Sofern überhaupt Zeit zum Essen bleibt.

Morgens um 7.30 Uhr sind die Techniker die Ersten an der Strecke, abends die Letzten, die wieder im Hotel eintrudeln. Das Anforderungsprofil an sie ist klar: Sie sind verantwortlich dafür, dass alles glatt geht. Einfach ist das nicht. „Die beste Kombination aus Ski, Schliff, Struktur und den unendlich vielen unterschiedlichen Wachsarten für die jeweiligen äußeren Bedingungen zu finden“, sagt Assistenztrainer Axel Teichmann, „ist wie ein Sechser im Lotto.“

Dabei gilt: Je mehr Tests man macht, um so höher ist die Wahrscheinlichkeit, das große Los zu ziehen. Also wird in Zusammenarbeit mit den fünf Technikern der Kombinierer, deren etwas kleinerer Auflieger hundert Meter entfernt parkt, probiert, probiert und probiert. Immer früh am Morgen, Tag für Tag. Und falls sich das Wetter ändert, auch zwischendurch. Erst wenn die bestmögliche Kombination gefunden ist, kommt der Athlet ins Spiel – und gibt im Idealfall sein Okay. Dann wird der Ski fürs Rennen präpariert. Anschließend muss der Techniker hoffen, dass der Grip stimmt. Wenn nicht, spricht öffentlich keiner darüber, intern lassen die Athleten aber schon mal Dampf ab. Da hilft dann auch die beste Absauganlage nichts.

Das richtige Wachs macht die Athleten um drei Prozenz besser

Andererseits zeigt dies aber auch, wie wichtig das Material in der Loipe ist. Bei der WM, aber auch bei allen Weltcup-Rennen, weshalb die Wachstrucks stets vor Ort sind (außer bei den Rennen in Übersee). Die Leistung eines Athleten, rechnet DSV-Langlaufchef Andreas Schlütter vor, könne man pro Saison um drei Prozent verbessern: „Ein schlechter Ski kostet in dem jeweiligen Rennen bis zu zehn Prozent.“ Und damit eine wesentlich bessere Platzierung. „Im Schnitt“, erklärt Teichmann, „gibt es bei Olympischen Spielen zwischen Gold und Platz vier einen Leistungsunterschied von 0,4 Prozent, zwischen Gold und Platz 30 sind es vier Prozent.“ Ähnlich sieht es bei den Kombinierern aus. „Die Differenz zwischen einem super Ski und einem normalen Ski kann 30 Sekunden ausmachen“, sagt Bundestrainer Hermann Weinbuch, „damit ist man nicht mehr Erster, sondern Zehnter.“

Umso glücklicher sind die Verantwortlichen, dass es in den deutschen Wachstrucks bei der WM in Lahti läuft wie geschmiert. Die Kombinierer haben bisher alle Medaillen abgeräumt, die zu vergeben waren. Die Langläufer sind von den Podestplätzen zwar ein gutes Stück entfernt, das hat aber nichts mit der Leistung der Techniker im bekannt trockenen finnischen Schnee zu tun. „Kompliment an unsere Leute“, sagt Schlütter, „im Gegensatz zur Konkurrenz waren die Ski bei uns bisher immer perfekt.“

Und wenn es doch mal Probleme gibt? Könnten die Deutschen immer noch bei den Schweizern nachfragen, die nebenan parken. Deren Technikchef heißt Roger Wachs.