Souverän, stark, selbstbewusst: In der Staffel setzten die deutschen Kombinierer ihren Siegeszug bei der WM in Lahti fort. Besondere groß ist die Freude bei Björn Kircheisen. „Wir haben unser Soll erfüllt“, sagte Bundestrainer Hermann Weinbuch – der trotzdem mit zwei weiteren Goldmedaillen rechnen darf.

Lahti - Die größte Gegenwehr leistete ein übermotivierter Finne. Als Johannes Rydzek nach der Siegerehrung des Staffelrennens die deutschen Techniker umarmen wollte, packte der Stadionmanager den Oberstdorfer am Arm, zog ihn weg von der Absperrung und befahl: „Ab in die Mixed-Zone.“ Rydzek schüttelte den Kopf und schimpfte vor sich hin, gab letztlich aber klein bei. Es dürfte die einzige Niederlage der deutschen Kombinierer bei dieser WM bleiben.

 

Zuvor hatten Rydzek, Eric Frenzel, Fabian Rießle und Björn Kircheisen den Staffelwettbewerb nach Belieben dominiert. Nach dem Springen lagen sie 44 Sekunden vor Japan, in der Loipe (4x5 km) verwalteten sie ihren Vorsprung ohne Probleme. Trotzdem meinte Bundestrainer Weinbuch: „Das war keine Trainingseinheit, sondern harte Arbeit. Der Schneefall hat die Strecke sehr stumpf gemacht, deshalb ist es ein Nachteil gewesen, vorneweg laufen zu müssen.“

Deutsches Quartett landet 41,7 Sekunden vor Norwegen

Die Athleten stimmten pflichtgemäß zu (Rießle: „Wir sind alle ans Limit gegangen“), räumten aber auch ein, ein bisschen mit der Konkurrenz gespielt zu haben. „Unsere Taktik war, es auf den ersten zweieinhalb Kilometern ruhiger angehen zu lassen“, meinte Eric Frenzel, „um dann auf der zweiten Runde zuzusetzen.“

Letztlich lagen die Deutschen 41,7 Sekunden vor den Norwegern. Schlussläufer Johannes Rydzek konnte es sich leisten, schon bei der Einfahrt ins Stadion die Fans zu grüßen und mit einer Deutschland-Flagge ins Ziel zu gleiten. Dabei deutete er auf jenen Kollegen, dem alle diesen Titel ganz besonders gönnten: Björn Kircheisen. „Ich darf gar nicht weiter drüber nachdenken, sonst kommen mir die Tränen“, sagte Bundestrainer Weinbuch sichtlich ergriffen, „ihm diese Goldmedaille schenken zu können, ist einfach nur wunderbar.“

Kircheisen (33) ist nicht nur der Älteste im Team, sondern auch der Einzige, der bis zu diesem Staffelrennen bei keinem Großereignis auf dem Podest ganz oben gestanden hatte. Seit 2002 holte er vier Olympia- (3 Silber, 1 Bronze) und elf WM-Medaillen (8 Silber, 3 Bronze), aber eben nie Gold, was ihm den Spitznamen Björn Silbereisen einbrachte – auch, weil er immer wieder in Duellen um Titel ganz knapp unterlegen war. „Das hat schon ein bisschen an mir genagt“, meinte der Sachse, der in Aschau am Chiemsee wohnt, „ich kann noch gar nicht glauben, dass es nun endlich mal zu Gold gelangt hat. Das ist unglaublich emotional für mich.“ Nicht zuletzt, weil er für diesen Triumph ein großes Wagnis eingegangen war.

Björn Kircheisens zwölfte WM-Medaille ist golden

Auf Grund von zwei eher mäßigen Wintern, in denen er bei der WM 2015 in Falun den Sprung in die erstmals seit 28 Jahren siegreiche deutsche Staffel verpasste hatte, stellte Kircheisen vieles auf den Kopf. Nach fast zwei Jahrzehnten wechselte er die Skifirma, mit den maßgeschneiderten Sprungbrettern des Franzosen Pierre Heinrich gelang es ihm, seinen Stil zu optimieren und auf der Schanze viel konstantere Leistungen zu zeigen. Was auch mit dem Körpergewicht zu tun hat. „Obwohl es ein Kampf ist: Leicht fliegt nun mal besser“, erklärte Kircheisen (1,87 m/61 kg), der dank konsequenten Kalorienzählens vier Kilogramm abgenommen hat. „Es ist unglaublich, auf welch hohem Niveau er sich in dieser Saison stabilisiert hat“, sagte Co-Bundestrainer Ronny Ackermann, ein früherer Teamkollege Kircheisens, „er hat einen neuen Zugang zum Sport gefunden, ist nicht mehr hundertprozentig verbissen. Schön, wenn das ein trainingsälterer Athlet noch hinbekommt.“

Finden auch die Teamkollegen, die ihren Senior überschwänglich bejubelten. „Aus Silbereisen ist nun Goldeisen geworden“, meinte Fabian Rießle mit einem frechen Grinsen. Und Eric Frenzel erklärte: „Wir freuen uns alle, dass es gelungen ist, ihm endlich das Goldhäubchen aufzusetzen.“

Eine große Feier wird es trotzdem nicht geben – schließlich stehen noch zwei WM-Rennen aus. Der Wettbewerb von der Großschanze am Mittwoch und der Teamsprint am Freitag. Angesichts der bisherigen Dominanz seiner Schützlinge ließ sich sogar Hermann Weinbuch zu einer aus seiner Sicht gewagten Prognose hinreißen: „Wenn wir unsere Leistung abrufen, dann wird es für die anderen schwer, uns zu schlagen.“

Es dürfte sogar ziemlich unmöglich sein – außer der Stadion-Manager in Lahti lässt sich noch eine ganz besondere Form des Widerstands einfallen.