Jetzt ist die beste Zeit, um in Nordnorwegen Polarlichter und andere fantastische Himmelserscheinungen zu erleben.

Laukvik - Wie schön, wenn jemand sich seinen Lebenstraum erfüllt. Wie großartig erst, wenn es sich dabei um etwas vollkommen Abseitiges handelt: Rob Stammes’ ganze Leidenschaft etwa gilt nächtlicher Magie. Bis 2007 schraubte der gebürtige Holländer Elektrogeräte zusammen, dann zog er auf die Lofoten in Nordnorwegen und widmet sein Leben seitdem der Erforschung des Nordlichts. Im ehemaligen Gemeindehaus von Laukvik hat er einen ganzen Raum meterhoch mit Apparaturen vollgestellt, die erdmagnetische Aktivitäten messen. Auf einem Monitor flimmert eine dünne, grüne Linie. „Wenn sie ausschlägt, müssen wir hinaus“, sagt der hagere Mittsechziger.

 

„Unsere Chancen, Polarlichter zu erleben, stehen heute bei 90 Prozent.“ Wie er darauf kommt, erklärt er gleich: Ursache der Nordlichter sind Eruptionen auf der Sonne. Vor zwei Tage fanden kräftige Ausbrüche statt. Und rund zwei Tage brauchen die Sonnenwinde, um zur Erde zu gelangen. In 80 bis 130 Kilometer Höhe treffen sie auf Gasteilchen aus der Erdatmosphäre, glühen milliardenfach auf und erlöschen. Sichtbar wird dieser Vorgang in einem sich verschiebenden Ring rund um den Nordpol. Die Lofoten liegen meist in diesem Bereich. So weit die Theorie. Die Praxis freilich lässt zu wünschen übrig.

Mit der MS Orca auf Natursafari

Denn an diesem Abend möchte einfach nichts zucken, weder auf dem Monitor noch am Himmel. Die Natur hält sich nicht an die Vorgaben des Experten. Und also serviert Rob Tee und Kekse auf dem Tablett, anstatt Tanz und Krawall am Firmament. Am nächsten Morgen orgelt der Sturm ordentlich um die Hütte in Svolvaer. Doch er legt sich bald, und das ist gut so. Denn natürlich lockt Nordnorwegen nicht nur mit der Jagd auf flimmernde Farbschleier. Heute morgen geht die „MS Orca“ auf Natursafari. Ein riesengroßer, eisiger Mond hängt über dem schartigen Sägeblatt der Berggipfel, und irgendwann leuchtet in der Bucht gegenüber die Sonne auf. Ein, zwei Stunden lang drückt sie sich am Horizont entlang, ehe sie wieder versinkt und das Meer rotgolden aufglühen lässt wie den letzten Abstich im Schmelzofen des Tages.

Im engen Trollfjord haben die Seeadler schon auf das Schiff gewartet. Drei, vier von ihnen stellen ab jetzt den luftigen Begleitservice. Hin und wieder pumpt die Matrosin mit einer Spritze Luft in einen Hering, schwenkt ihn lockend und schleudert ihn ins Wasser: Ein kurzes Rauschen, ein schneller Schatten - und gekonnt fischen nadelspitze Krallen die leichte Beute aus den Wellen. Der Trollfjord war Schauplatz jener legendären Schlacht im Jahre 1890, als die Fischer in Ruderbooten gegen die Besatzungen der neu aufgekommenen Dampfschiffe kämpften, um sich Zugang zu den Dorschgründen zu verschaffen. Von der Fischerei erzählt auch Ragnar Riksheim, einer der wichtigsten Stockfischexporteure, in der historischen Trankocherei „Full Steam“. Zwischen einer Sammlung alter Netze, Trankesseln und Stockfischpressen brät er höchstpersönlich Dorschzungen in Butter und stellt einen köstlichen Fischeintopf auf den Tisch.

Vorher aber heißt es, den inneren Schweinehund zu überwinden: Lebertran kosten! Doch der Schrecken aller Nachkriegskinder, warm serviert im Plastikbecherchen, läuft fast unmerklich den Rachen hinunter. Nachgespült wird mit 60-prozentigem Schnaps. Auf der „Midnatsol“ der Hurtigruten-Linie geht es in dieser Nacht nach Norden, vorbei an weiß eingestäubten Bergen. Gäste lassen sich in den heißen Pool gleiten und blicken verträumt nach oben: Wird der Himmel heute Nacht tanzen? Er tanzt nicht. Aber er friert das Land zur Tiefkühlware. Minus 27 Grad misst das Thermometer am nächsten Tag in Finnsnes.

Manche weinen bei dem Anblick von Polarlichtern

Auf der Insel Senja hüllt Dag Stroemholt seine Gäste in Thermoanzüge und bringt sie auf dem Zodiac hinaus zu den Walen. Immer wieder taucht im weiten Rund der Bucht ein Rücken auf, ein schwarz-weißer Kopf oder eine Schwanzflosse, die an ein schmales, hohes Segel erinnert: Die Orcas jagen Heringe. Die Hoffnung aber stirbt zuletzt - auch die auf ein Polarlicht. Ivar Haugen in Tromsoe hat sich ebenfalls der Suche danach verschrieben. In einem Lavvu, der traditionellen Rundhütte der Samen, haben Freunde von ihm ein Feuer entzündet. Zwei Teller Bidos, Rentiereintopf mit Gemüse, wärmen den Körper. Plötzlich steht Ivar in der Tür und bittet zur Show.

Ein milchiger Kondensstreifen am Himmel färbt sich ganz langsam grün ein und zerfließt wie ein Aquarell. Irgendwann flackern grüne Streifen auf, wie Tasten eines Pianos, das sich selbst spielt. Und plötzlich gerät der Himmel in Aufruhr. Das Grün tanzt und windet sich wie zuckende Geister, die eben glücklich der Flasche entkommen sind. Als schließlich eine unsichtbare Hand eine smaragdene Schlange über das schwarze Firmament peitscht, wieder und wieder, kann man gar nicht mehr anders, als mit offenem Mund nach oben zu starren. „Es gibt Menschen, die haben jahrelang gespart, um das hier einmal zu sehen“, sagt Yvar. „Manche jubeln dann. Manche weinen.“ Und andere ahnen jetzt zumindest, wie jemand auf die Idee kommt, dieses flüchtige, geheimnisvolle Geschehen am Himmel sogar zu seinem Lebensinhalt zu machen.

So wird das Wetter für die Weltreise

Infos zu Norwegen

Anreise
SAS fliegt  von Deutschland über Kopenhagen und Oslo nach Svolvaer oder Tromsoe, www.flysas.com/‎

Unterkunft Rica Ishavshotel: Tromsoes bestes Hotel liegt direkt am Hafen und ist recht gemütlich, www.rica.no (Ü+F ab ca. 125 Euro pro Person)

Svinoeya Rorbuer: Übernachten in Hütten wie einst die Lofotfischer, aber mit modernem Standard im Hafen von Svolvaer, http://svinoya.no (Hütte für zwei Personen ab ca. 125 Euro)

Nordlicht
Von September bis April stehen die Chancen gut, im nördlichen Norwegen Polarlichter zu erleben. Laukvik: polarlightcenter@hotmail.com, www.polarlightcenter.com (Drei-Stunden-Kurs umgerechnet ca. 48 Euro pro Person)

Tromsoe: info@tromsosafari.no, www.tromsosafari.no , (Fünf- bis Sieben-Stunden-Tour inkl. Verpflegung ca. 140 Euro pro Person)

Ausflüge/Sehenswert
Natursafari und Fischtouren Lofoten: www.lofotencharterbat.no (Sechs-Stunden-Ausfahrt inkl. Fischsuppe ca. 140 Euro pro Person)

Walsafari Senja: www.basecampsenja.no (2-Tage-Tour inkl. Transport, Übernachtung, Mahlzeiten und Ausfahrten ca. 420 Euro pro Person)

Hundeschlittenfahrt Tromsoe: www.villmarkssenter.no (Vier-Stunden-Huskytour inkl. Verpflegung ca. 180 Euro pro Person)

Polarmuseum und „Polaria“, Tromsoe: Aquarium und Panoramakino mit Nordlichtshow, www.polaria.no , www.visittromso.no

Fullsteam, Trankocherei Henningsvaer: 1,5-Stunden-Führung inkl. Kaviarverkostung und Essen ca. 42 Euro pro Person.

Caviar factory, Galerie für Moderne Kunst in Henningsvær: www.kaviarfactory.com/

The Creator, Galerie, Svolvaer, www.thecreator.no

Wikingergehöft Borg, www.lofotr.no

Allgemeine Informationen
www.hurtigruten.no www.visittromso.no www.nordnorge.com