Bei Facebook haben sie sich gefunden – eine Gruppe von früheren Schorndorfern, die in ihrer Jugend die einst legendären Discos der Stadt schätzen gelernt haben. An jedem Mittwoch nach dem Stadtfest Schowo sollen diese Tanztempel künftig eine Wiederauferstehung erleben.

Schorndorf - Sie haben Point, Chaplin’s Garden und Nexus 6 geheißen. Sie waren bekannte Tanztempel und zogen einst Besucher aus einem weiten Umkreis nach Schorndorf. Früher sei die Stadt im Remstal eine wahre Boomtown der Discotheken und Kultlokale gewesen, erzählt Sebastian Seelow, Vorsitzender des Vereins 7060 e. V. Speziell in einem Gebäude des so genannten Küblerareals nordwestlich der Altstadt wurde bis Ende der 1990er Jahre von Donnerstag bis Sonntagabend durchgetanzt. Auf dem Parkplatz davor seien Nummernschilder bis aus Frankreich zu sehen gewesen, daneben saßen Techno-Anhänger, die sichtlich berauscht weiterfeierten.

 

Die Zeit der großen Discos ist seit 1997 Geschichte, doch jetzt lässt der eigens dafür gegründete Verein das Lebensgefühl jener Jahre wieder auferstehen, dessen Vorstände Sebastian Seelow und Jens Wichering sind. Der „7060 e.V.“ – die Ziffern stehen für die frühere Schorndorfer Postleitzahl – will künftig an jedem Mittwoch nach Ende des Stadtfests Schowo einen „7060 Day“ etablieren. An diesem Tag wird in den Lokalen mit Teilen der Inneneinrichtung die Stimmung jener Jahre nachempfunden und natürlich getanzt. Man habe, sagt Sebastian Seelow, sogar die Original-DJ’s jener Jahre für diesen Abend nach Schorndorf holen können – darunter den seinerzeit in der Technoszene überregional bekannten DJ Commander Tom.

Der Anfang dieser Nostalgiebewegung ist erst wenige Monate alt, aber dank der sozialen Netzwerke rasant gewachsen. Etwa im Februar diesen Jahres muss es gewesen sein, da gründete sich in Facebook eine Gruppe namens „Du weißt, das Du aus Schorndorf bist, wenn. . .“ Ungeachtet des Schreibfehlers erhielt sie immer mehr Zulauf. Gepostet werden darin kleine Erinnerungsstücke, aus denen sich nach und nach das Bild des Schorndorfer Lebensgefühls der 1970er bis 1990er-Jahre zusammensetzte – etwa die dunkle Innenstadtgasse, in welcher die erste Zigaretten geraucht wurden, lange Abwasserkanäle, durch welche man hindurchgeklettert ist oder den so genannten Todessprung, eine Mutprobe am Graben des Schorndorfer Burgschlosses. Wer dort mit seinem Fahrrad gut Schwung nahm, konnte regelrecht durch die Luft schanzen. „Ich habe beim Landen das orangene Klapprad meiner Mutter zerlegt“, bemerkt Sebastian Seelow trocken.

Diese Erinnerungen werden am morgigen Mittwochabend zum Thema einer eigenen Stadtführung werden. Der Stadtrat Karl-Otto Völker, der normalerweise als Gottlieb Daimler gewandet die Besucher durch die Stadt führt, ist von den Nostalgiebegeisterten für die Veranstaltung gewonnen und mit Geschichten ausgestattet worden. Die Runde beginnt um 19 Uhr am Daimler-Denkmal neben dem Rathaus.

Nach dem Rundgang werden sich die Teilnehmer auf die verschiedenen Clubs verteilen, die jeweils nachempfunden sind. In jedem der Lokale läuft die jeweils für die Zeit typische Musik. Die Discos und einige der Kultlokale wiederauferstehen zu lassen, war auch eine Idee, die aus der Facebook-Gruppe stammt. Überraschend einfach hätten sich Lokalbetreiber und Geschäftsleute überzeugen lassen, erzählt Sebastian Seelow. Um die Inneneinrichtung nachzuempfinden, seien ebenfalls die sozialen Netzwerke zu Hilfe genommen worden. Viele der Einrichtungsgegenstände seien inzwischen in Privatbesitz übergegangen, erzählt der Vereinschef. Ihre Besitzer stellten sie nun für den Abend als Dekoration zur Verfügung.

Der Verein 7060 habe sich zum Ziel gesetzt, dauerhaft das Lebensgefühl der heute 35- bis 70-jährigen in Schorndorf Aufgewachsenen aufleben zu lassen, erzählen dessen Vorstände. Aber auch an die Senioren werde gedacht, denn alle moren Aktiben arbeiten ehrenamtlich,der Erlös der Aktion soll Veranstaltungen in den Schorndorfer Alteneinrichtungen zugute kommen. Er wisse aus seiner Zivildienstzeit, wie dankbar deren Bewohner für Angebote seien, sagt Sebastian Seelow.

Ein filmisches Bild der Schorndorfer Diskothek Point ist übrigens in der Videoplattform Youtube konserviert. Zwei Millionen Mark (rund eine Million Euro) hatten laut des Berichts die Besitzer in die seinerzeit größte deutsche Diskothek investiert, welche unter anderem mit 6,50 Meter langen Basshörnern aufwartete. Der damalige Kommentator spricht indes bärbeißig vom „Gehörschaden der Superlative“, den man sich dort zuziehen könne.