Wie erfährt man von Terror, Unwettern, Amokläufen? Nach dem Abbau der meisten Sirenen nutzen die Behörden dazu den Rundfunk. Jetzt binden sie mit der App „Nina“ auch die Smartphones in die offizielle Warnkette ein.

Stuttgart - Polizei und Katastrophenschutz im Land läuten bei der Gefahrenwarnung das digitale Zeitalter ein: „Ein Smartphone hat heute fast jeder, mit Nina bekommt der Bürger eine Sirene für die Hosentasche“, sagte am Freitag Landesinnenminister Thomas Strobl und gab das Startsignal für eine App, die jeder kostenlos herunterladen kann.

 

Nina steht für Notfall-, Informations- und Nachrichten-App und wurde vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe entwickelt. Dieses Programm, das bisher nur für Android-und iOS-Geräte zur Verfügung steht, aber auch für Microsoft entwickelt wird, soll die klassischen Warnmedien wie Radio, Fernsehen, Pager (also Funkrufempfänger), Internet und die verbliebenen Sirenen nicht ersetzen, sondern ergänzen. „Es ist eine von vielen Möglichkeiten für die Information der Bevölkerung“, sagte Hermann Schröder, der Chef der Abteilung Bevölkerungsschutz und Krisenmanagement im Innenministerium.

Teil der offiziellen Warnkette

Strobl sieht Nina gegenüber den bisherigen Warnsystemen jedoch im Vorteil, denn damit lasse sich die Bevölkerung zielgenauer warnen: „Wenn am Stuttgarter Hauptbahnhof etwas passiert, muss ich nicht das ganze Land in Unruhe versetzen.“ Die Bevölkerung könne man nahezu straßenscharf nicht nur warnen, sondern auch mit Verhaltenstipps versorgen – wenn es zum Beispiel gilt, auf einen Brand von Gefahrstoffen zu reagieren. Voraussetzung ist, dass Smartphone-Nutzer die App installiert und entsprechend konfiguriert haben, das heißt auf ihre Bedürfnisse eingestellt haben: Man kann zum Beispiel Orte angeben, für die man Warnungen erhalten will, aber auch Meldungen für den jeweils aktuellen Standort empfangen. Strobl: „Warnungen erhalten exakt die, die es betrifft.“

Die App ist direkt verbunden mit dem satellitengestützten Warnsystem „Movas“, das Bund und Länder zur zentralen Verbreitung von Warnmeldungen nutzen. In Baden-Württemberg laufen die Infos zurzeit im Lagezentrum des Innenministeriums sowie bei der Berufsfeuerwehr Reutlingen zusammen. Diese geben die offiziellen Warnmeldungen an die Rundfunksender – und nun auch an Nina weiter. Auch Wetterwarnungen des Deutschen Wetterdienstes und aktuelle Hochwasserstände sollen über die App ausgegeben werden. Außerdem könne man sie für orts- und kreisbezogene Warnmeldungen der Kommunen einsetzen, sagte Strobl: „Die Bürger erhalten Warnmeldungen aus einer Hand.“

Und was ist mit Katwarn?

Eine Konkurrenz zu der Warn-App Katwarn, die im Auftrag der öffentlichen Versicherungen entwickelt wurde und von zahlreichen Firmen, Ländern und Kommunen genutzt wird, sieht Krisenmanager Schröder nicht. Es liefen vielmehr Gespräche, wie man sich gegenseitig ergänzen kann. Dies sei auch deshalb sinnvoll, weil Katwarn keine offiziellen Warnmeldungen an die Rundfunkanstalten geben dürfe, so Schröder. Beide Systeme hätten ihre Berechtigung.

Dass es mehrere Warn-Apps gibt, sieht der FDP-Innenpolitiker und frühere Justizminister Ulrich Goll jedoch als Manko von Nina: „Es ist gut, dass die Bürger auf Gefahren aufmerksam gemacht werden. Der Sonderweg der Landesregierung, eine App zu nutzen, die in anderen Bundesländern keine Verwendung findet, ist aber wenig bürgerfreundlich.“ Das Innenministerium des bevölkerungsreichsten Landes Nordrhein-Westfalen empfiehlt den Bürgern hingegen gerade die Warn-App Nina, um sich vor Gefahr zu schützen. Denn bei den Kommunen in NRW komme Katwarn im Gegensatz zu Nina nicht gut an, heißt es. Möglicherweise liegt dies auch am Preis: Eine Nina-Station, die rund 2000 Euro kosten soll, ist laut Schröder für Kommunen um einiges preiswerter zu haben als Katwarn. In Baden-Württemberg nutzt Katwarn bisher nur der Landkreis Böblingen. Bundesweit hat Nina bisher rund eine Million Nutzer. Die Zahl werde umso stärker steigen, je mehr die Smartphone-Besitzer vom Mehrwert der App überzeugt seien, glaubt Strobl.

Gleichzeitig mit der Warn-App verstärkt die Polizei ihre Präsenz in den sozialen Netzwerken Facebook und Twitter. Nach den Polizeipräsidien Stuttgart, Mannheim, Karlsruhe und Konstanz sowie dem Landeskriminalamt sind nun auch die Polizeipräsidien Heilbronn, Ulm und Ludwigsburg in Facebook und Twitter aktiv. Bis zum Ende des Jahres sollen alle zwölf regionalen Präsidien über einen Social-Media-Auftritt verfügen.