Die Belegung der Notunterkunft in der Landesmesse geht weiter. Am ersten Tag und in der ersten Nacht sind 912 Flüchtlinge angekommen. Familien und alleinstehende Männer sind in verschiedenen Bereichen untergebracht.

Familie/Bildung/Soziales: Viola Volland (vv)

Stuttgart - Schaumstoffmatratzen verteilen sich über den Betonboden der Halle 1 der Landesmesse Stuttgart, dazwischen stehen Absperrgitter als Sichtschutz. Über die Trennwände haben einige Flüchtlinge ihre Handtücher und mit der Hand gewaschene Unterwäsche gehängt. Viele Matratzen sind mit Laken bezogen, ein Teil der Angekommenen hat sich aber auch direkt mit den Schlafsäcken auf den Schaumstoff gelegt. Einige schlafen. Für diejenigen, die als letzte ankamen, ist es eine kurze Nacht gewesen. Um 2.30 Uhr sind die letzten Busse in der Nacht auf Mittwoch vorgefahren.

 

Auch Sharwan Dio, ein Flüchtling aus Syrien, ist spät in Stuttgart angekommen. Wann genau, kann er gar nicht sagen. „Ich bin sehr müde“, sagt der 20-Jährige, der deutlich älter aussieht. Er sitzt in seinem Schlafsack, neben sich ein eingepacktes Brötchen, vor sich seinen staubigen Rucksack – darin etwas Schmutzwäsche, zwei alte kleine Handtücher, Hygieneartikel und eine Packung Müsli. Vor zwei Monaten hat sich Dio aus einem Dorf im kurdischen Teil Syriens auf den Weg gemacht, gemeinsam mit zwei Freunden. „Wir sind sehr viel gegangen.“ Türkei, Kroatien, Serbien, Mazedonien, zählt er einige Länder auf, durch die ihn seine Flucht geführt hat: „Die Zeit in Serbien war am schlimmsten.“ Er ist froh, in Deutschland zu sein, wo schon eine Schwester (Aachen) und ein Bruder (Berlin) leben. Berlin, das ist auch sein Ziel. „Deutschland ist ein sehr gutes Land.“

500 Flüchtlinge kommen aus Ulm nach Stuttgart

Sharwan Dio ist einer von 912 Menschen, die am ersten Belegungstag in der Notunterkunft angekommen sind. Der Großteil wurde aus Bayern zur Landemesse gebracht, 350 Flüchtlinge wurden aus der Landeserstaufnahmestelle Karlsruhe verlegt. Im Laufe des Mittwochs erwartete die Stabsstelle Flüchtlingsunterbringung weitere Busse, darunter zehn aus Bayern und drei vom Drehkreuz Mannheim sowie 500 Flüchtlinge aus der Messe Ulm, deren befristete Belegung ausgelaufen ist. Am Ende des Mittwochs würden 2500 Flüchtlinge in der Halle sein, sagt der Sprecher der Stabsstelle Flüchtlingsunterbringung, Michael Brand.

„Das ist alles mit sehr heißer Nadel gestrickt“, räumt Brand beim Vororttermin am Mittwochmorgen in der Halle ein. Alle Beteiligten organisierten nach Kräften und sehr professionell, aber: „Wir müssen auch mit Provisorien leben.“ Seit Montagnachmittag seien die Planungen auf Hochtouren gelaufen, berichtet Rainer Hagmann vom vor Ort zuständigen Regierungspräsidium Stuttgart (RP). Essensausgaben wurden eingerichtet, Duschcontainer und Sanitätszelte aufgestellt. An einer Ausgabe erhält jeder Flüchtling einen Schlafsack, Handtücher, ein Hygiene-Set und ein Bettlaken. Die Halle sei mit Hilfe von mehreren Hundert Kräften vom Technischen Hilfswerk, den Maltesern, dem Deutschen Roten Kreuz, der Freiwilligen Feuerwehr und der Bundeswehr hergerichtet worden, so Hagmann.

Alleinstehende Männer und alleinstehende Frauen getrennt

Alle Flüchtlinge bekommen nach ihrer Ankunft einen Bewohnerausweis. Registriert werden sie nicht. Das sei in der Notunterkunft nicht möglich, berichtet Hagmann. Etwa die Hälfte der Flüchtlinge seien alleinstehende Männer. Sie sind im Erdgeschoss untergebracht. Auf der Galerie schlafen die Familien und alleinstehende Frauen – für sie wurden die Feldbetten, die das RP noch auftreiben konnte, aufgestellt.

Mit ihrem Ausweis erhielten die Personen nur Zugang zu ihrem Bereich, erklärt Hagmann: Die alleinstehenden Männer dürfen also nicht die Galerie betreten. Sicherheitsleute der Messe sorgen dafür, dass das eingehalten wird. Probleme habe es bisher keine gegeben, berichtet der Messesprecher Markus Vogt. Man habe darauf geachtet, gerade Sicherheitspersonal, das viele Fremdsprachen spricht, einzusetzen, kommentiert Vogt eine Szene, in der ein Sicherheitsmann für mehrere Flüchtlinge auf Arabisch dolmetscht.

Die Nutzung ist bis zum 15. Oktober befristet

Für die Messe ist die Situation „eine Herausforderung“, wie Vogt sagt. Parallel finden zwei Messen statt, zu denen 15 000 Besucher täglich kommen. Die Nutzung der Halle 1 als Notaufnahme ist bis zum 15. Oktober befristet. Anschließend starten die Aufbauarbeiten für die Blechexpo. Wo die 2500 Flüchtlinge im Anschluss hinkommen, ist noch unklar. Über ein paar größere Liegenschaften liefen Verhandlungen, da sehe es nicht schlecht aus, sagt Brand.