Dieselmotoren tragen zum Klimaschutz bei – das sieht der NRW-Verkehrsminister Michael Groschek genauso wie Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Fahrverbote aber will man unbedingt vermeiden. Ob das gelingt?

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - In den vergangenen Wochen hat sich Winfried Kretschmann wiederholt als glühender Anhänger des Dieselmotors präsentiert. Eine kurze Journalistenfrage genügte, und der grüne Ministerpräsident sprudelte los. „Es gibt den sauberen Diesel“, schwärmte er dann, „den brauchen wir lange. Das ist der beste Verbrennungsmotor.“ Wie zum Beweis verwies er darauf, dass er sich privat gerade eine Mercedes E-Klasse mit Euro-6-Diesel gekauft habe.

 

Volle Zustimmung erntet Kretschmann damit beim nordrhein-westfälischen Verkehrsminister Michael Groschek. Der Stuttgarter Ministerpräsident habe recht, wenn er darauf hinweise, „dass Dieselmotoren erheblich zur CO2-Reduktion beitragen“, sagt der Sozialdemokrat. Doch in der Frage, wie mit den Nachteilen des Diesels umzugehen sei, liegen die beiden deutlich auseinander. Während die baden-württembergische Regierung in Stuttgart von 2018 an auf Fahrverbote für ältere Diesel setzt, will die rot-grüne Koalition in Düsseldorf genau das vermeiden. Wirkungsvollere Maßnahmen für saubere Luft in der Landeshauptstadt, wie sie das Verwaltungsgericht forderte, möchte man ohne Fahrverbote erreichen. „Dieselfahrverbote gehören verboten“, sagt Groschek. Sie bestraften nur die, die guten Glaubens auf den klimaschonenden Antrieb gesetzt hätten.

„Diesel-Förderung nicht irrational“

Warum aber erlebte der Diesel in Deutschland einen solchen Boom, dass sein Anteil an den Personenwagen seit dem Jahr 2000 von 13 auf 30 Prozent stieg? Hängt dies nur mit einer womöglich falschen Steuerpolitik des Staates zusammen? Diese Fragen ließ Groschek von den Fachleuten seines Ministeriums untersuchen. Die Antworten finden sich in einem elfseitigen, internen „Diskussionspapier“, das zu bemerkenswerten Feststellungen kommt – positiven mit Blick auf den Diesel, skeptischen zum Elektroantrieb.

Nein, lautet das Fazit, die jahrzehntelange Förderung des Diesels durch Politik, Industrie und Wissenschaft sei „keineswegs irrational“ gewesen. Energetisch, klimapolitisch und wirtschaftlich biete der Motor „erhebliche Vorteile“. Sein höherer Wirkungsgrad senke den Verbrauch und damit auch den CO2-Ausstoß, schone Geldbeutel und Umwelt also gleichermaßen. Von einer steuerlichen Subventionierung, die immer wieder angeführt werde, könne in Wahrheit „keine Rede sein“. Höhere Anschaffungskosten und die höhere Kfz-Steuer führten dazu, dass sich Ersparnisse erst bei überdurchschnittlichen Jahresfahrleistungen ergäben – oft also bei gewerblich genutzten Fahrzeugen. Diese „Kostenschonung für die Wirtschaft“ sei mit der unterschiedlichen Besteuerung von Benzin und Diesel gewollt gewesen.

Skeptischer Blick aufs Elektroauto

Die Nachteile des Diesels verschweigt das Papier nicht: „Gefährliche Abgase“ wie Stickstoffdioxid seien die Kehrseite der hohen Verbrennungstemperaturen. Während der Feinstaub durch hocheffiziente Partikelfilter fast komplett abgefangen werde, stehe ein solcher „durchschlagender Erfolg“ bei den Stickoxiden noch aus. Um spezielle Katalysatoren mit Harnstoff-Zusatz, wie sie sich in Lastwagen „bereits gut bewährt“ hätten, werde man nicht herumkommen. Da sie kosten- und wartungsintensiver seien und mehr Platz im Motorraum benötigten, würden sie den Dieselantrieb nochmals teurer machen. Die Folge: für kleinere und billigere Autos, deren Käufer auf den Preis schauen müssten, werde er weniger attraktiv. In der oberen Mittel- und der Oberklasse fiele der Aufschlag hingegen weniger ins Gewicht. Fazit des Papiers: „Viele gute Gründe“ sprachen und sprächen für weiterentwickelte Verbrennungsmotoren.

So positiv die Ministeriums-Experten den Diesel unter Klimaaspekten sehen, so skeptisch ist ihr Blick auf die Elektromobilität. Noch seien E-Autos in puncto Preis, Reichweite oder Ladeinfrastruktur „nicht wirklich konkurrenzfähig“. In einiger Zeit aber würden sie das sein, letztlich sogar überlegen; dann würden sie sich am Markt durchsetzen. Das zentrale Ziel der E-Mobilität, die Emission von Kohlendioxid zu vermeiden, werde indes nur erreicht, wenn der Strom komplett aus regenerativen Quellen stamme. Davon sei man mit einem Anteil von derzeit 30 Prozent noch weit entfernt. Werde zusätzlicher Strombedarf für E-Autos vorher politisch erzwungen, führe dies dazu, dass klimaschädliche fossile Kraftwerke länger laufen müssten. In der Gesamtbilanz verursache ein Elektroauto so „einen höheren CO2-Ausstoß als ein moderner Verbrenner“.

Die Konsequenz für Groscheks Beamte: Klimapolitisch ergäben Elektroautos erst dann Sinn, wenn die Energiewende in Deutschland erfolgreich bewältigt sei – „und das wird selbst 2050 nur mit erheblicher Mühe möglich sein“. Je höher der zusätzliche Strombedarf fürs Fahren sei, desto länger dauere es. Für diese Übergangszeit, meint auch Kretschmann, sei der Diesel unverzichtbar.