Das Landesamt für Verfassungsschutz hat dem NSU-Ausschuss Akten vorenthalten, die darauf hindeuten, dass der Ku-Klux-Klan früher im Land aktiv war, als die Behörde bisher öffentlich angab.

Stuttgart - Die Präsidentin des Landesamts für Verfassungsschutz, Beate Bube, hat vor dem NSU-Untersuchungsausschuss eingeräumt, dass ihre Behörde dem Landtag zunächst nicht alle Unterlagen zu Ku-Klux-Klan-Aktivitäten vorgelegt hat. Dies sei allerdings nicht böswillig geschehen. „Die Nichtvorlage war nicht getragen von dem Willen, dem Ausschuss etwas vorzuenthalten“, sagte die 51-Jährige am Montag bei der jüngsten Sitzung des Untersuchungsausschusses.

 

Bisher waren die Abgeordneten davon ausgegangen, dass Aktivitäten des Rassistenklubs erst Ende der 1990-Jahre fassbar geworden seien. Daran hält die Verfassungsschutzpräsidentin auch fest, sofern von einer „festen Struktur“, also einer „festen Gruppierung“ ausgegangen werde. Hinweise auf „Einzelpersonen“, die sich für den Ku-Klux-Klan interessierten, habe es aber auch schon vorher gegeben. Weshalb die Schriftstücke beim Untersuchungsausschuss zunächst nicht ankamen, blieb in der langwierigen Befragung nebulös. Wolfgang Drexler (SPD), der Vorsitzende des NSU-Ausschusses, mochte kein Verständnis dafür aufbringen.

Abgeordnete kritisieren Verfassungsschützer

Beispielhaft führte er ein bisher unbekanntes Dokument an, in dem vom einem Skinhead-Konzert die Rede ist, bei dem ein Kreuz verbrannt wurde. Kreuzverbrennungen aber gehören zu den Ritualen des Ku-Klux-Klan. Anwesend war auch Achim Schmid, der wenige Jahre später tatsächlich eine Klan-Gruppe gründete. Dass die Verfassungsschützer dem Untersuchungsausschuss diese Informationen vorenthielten, konnte sich Drexler nicht erklären. Möglicherweise dächten die Verfassungsschützer zu eng und unterschätzten das Erkenntnisinteresse der Abgeordneten, spekulierte Drexler. Womöglich fehle es den Verfassungsschützern aber auch an Verständnis für Netzwerke im rechtsextremistischen Bereich. Das wäre bedenklich, sagte Drexler. Der FDP-Abgeordnete Ulrich Goll sagte, er könne keinen Vorsatz feststellen, aber durchaus „eine gewisse Fahrlässigkeit.“

Bernd von Heintschel-Heinegg, Rechtsanwalt und Akten-Rechercheur des Untersuchungsausschusses, hatte beim Bundesamt für Verfassungsschutz Schriftstücke entdeckt, die auf Erscheinungsformen des Ku-Klux-Klans in Baden-Württemberg bereits Mitte der 1990-Jahre hinweisen. Pikanterweise stammen diese Dokumente vom baden-württembergischen Landesamt für Verfassungsschutz. Neben dem Skinhead-Konzert mit Kreuzverbrennung gab es auch Verbindungen von Rechtsextremisten im Land zu Klanmitgliedern in den Vereinigten Staaten inklusive entsprechende Reiseaktivitäten. Im September 1996 wurde auf dem Zollamt in Schwäbisch Hall eine Sendung aus den USA mit Propagandamaterial sichergestellt. In den vergangenen Tagen gingen dem NSU-Ausschuss zwei weitere Aktenordner mit Unterlagen zu, die Heintschel-Heinegg direkt im Landesamt entdeckte.

Klägliche Veranstaltungen

Helmut Rannacher, von 1995 bis 2005 Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz, hatte bei seiner Befragung vor dem Untersuchungsausschuss im Sommer die frühen Hinweise auf den Ku-Klux-Klan noch ausgespart. Er habe sie schlicht nicht gekannt, sagte Rannacher, am Montag erneut vor den Ausschuss geladen. Erst vor wenigen Tagen habe er die Akten gelesen. Rannacher äußerte die Einschätzung, die Medien überzeichneten die Gefährlichkeit des Ku-Klux-Klans, zumindest was dessen Umtriebe in Baden-Württemberg angehe. Bei den Treffen des Ku-Klux-Klans habe es sich in erster Linie um „Saufabende“ gehandelt, die Kreuzverbrennungen seien „klägliche Veranstaltungen“ gewesen.