Der Landtag will den NSU-Terror aufarbeiten. Doch bei der ersten öffentlichen Sitzung verheddern sich die Abgeordneten der Enquetekomission in Spiegelstriche und Kleinkram. Kann es noch besser werden?

Stuttgart - Lag es an den Anstrengungen des vorangegangenen WM-Finales? Die NSU-Enquete des Landtags jedenfalls kam in ihrer ersten öffentlichen Sitzung am Montag kaum voran. „Enquetekommission wartet auf Regierungsbericht“ – so ist denn auch die Pressemitteilung überschreiben, die im Anschluss an das Treffen Verbreitung fand. Das Gremium startete offenkundig ohne Plan und in Teilen auch mit einem Mangel an Ambition in die Sacharbeit.

 

Die Kommission geht auf eine von Grünen und SPD betriebenen Parlamentsbeschluss von Ende April zurück. Zuvor war lange die Frage ventiliert worden, ob es für die Nachbearbeitung des Behördenversagens im Zusammenhang mit dem NSU- Rechtsterrorismus eines Untersuchungsausschusses bedürfe. Oder ob es womöglich sinnvoller sei, mit einer Enquetekommission das Thema Rechtsextremismus in allgemeinerer, wissenschaftsbasierter Form auszuleuchten und dabei auch Strategien zu entwickeln, wie rechtsextremes Denken angegangen werden könne, ehe Menschen verletzt oder gar getötet werden. Man entschied sich für einen Zwitter: eine Enquete, die aber auch konkret die Umtriebe des NSU-Trios in Baden-Württemberg in den Blick nehmen soll. So kam es zur Kommission „Konsequenzen aus der Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) / Entwicklungen des Rechtsextremismus in Baden-Württemberg – Handlungsempfehlungen für den Landtag und die Zivilgesellschaft.“

Geplänkel auf niedrigem Niveau

Dass der Name des Gremiums sperrig ist, blieb natürlich auch dessen Mitgliedern nicht verborgen, weshalb sie sich vergleichsweise ausführlich mit der Überlegung beschäftigten, der Enquetekommission einen griffigeren Titel zu verschaffen, etwa „NSU-Enquete“. Ein Ansinnen, das in den Reihen der CDU indes Widerstand auslöste, weil damit dem mörderischen NSU-Trio zu viel der Ehre angetan würde. Besser sei es, so der Vorschlag eines der beigeladenen Sachverständigen, von einer Enquete-Kommission „Rechtsterrorismus/Rechtsextremismus“ zu sprechen. Dem wiederum wurde von einem anderen externen Gremienmitglied entgegen gehalten: „Man redet doch auch von NSDAP oder RAF.“ Das Geplänkel endete in der von Grünen, SPD und FDP mehrheitlich herbeigeführten Entscheidung, auf eine Kurzbezeichnung für die Kommission vorerst zu verzichten.

Schwierig gestaltet sich auch die Umsetzung des Grünen-Vorschlags, für die nächste Sitzung der Kommission am 22. September, ersatzweise einen Monat später, die Journalisten Stefan Aust und Dirk Laabs einzuladen, die in ihrem Buch „Heimatschutz“ sehr ausführlich die rechtsextremistische Szene seit der Vereinigung Deutschlands darstellen.

Warten auf den Regierungsbericht

Die CDU-Vertreter im Gremium zeigten wenig Neigung, sich auf eine „Werbeaktion“ für ein Buch auszulassen und warnten überdies vor der Propagierung von „Verschwörungstheorien“. Für und Wider einer Einladung an die Journalisten Aust und Laabs wogten hin und her. Langsam näherte man sich der Abstimmung über die Frage, ob man eine Voranfrage an die Buchautoren stellen solle. Ein Beschluss konnte aber mit dem Hinweis abgewendet werden, eine vorsorgliche Terminabklärung könne ebenso dem Kommissionsvorsitzenden Willi Halder (Grüne) überlassen werden.

Wenigstens gelang es, einen Berichtsantrag an die Landesregierung zu verabschieden, der neben dem NSU-Terror und dem Heilbronner Polizistenmord unter anderem die Umtriebe des Ku-Klux-Klan sowie die rechte Musikszene im Südwesten anspricht. Außerdem wird nach „Anzeichen rechtsextremistischer Einstellungen von an der Strafverfolgung beteiligten Behörden und Nachrichtendiensten“ gefragt. Aber auch dazu bedurfte es erst einer Debatte, die das „von“ aus der Formulierung tilgte und in ein „in“ umwandelte. Schließlich gebe es allenfalls „in“ Behörden des Landes rechtsextremistische Einstellungen, keinesfalls aber rechtsextremistische Einstellungen „von“ ganzen Behörden.

Bis Mitte 2015 soll die Enquete ihren Bericht vorlegen. Ob dieser Plan hält, darf nach der jüngsten Sitzung der Enquetekommission als zweifelhaft gelten.