Im NSU-Ausschuss wird ein Mitarbeiter des baden-württembergischen Verfassungsschutzes aussagen, der V-Leute führte. Stuttgart dringt auf Geheimhaltung.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Stuttgart - Wenn es nach dem Innenministerium Baden-Württemberg geht, wird von der heutigen Sondersitzung des NSU-Ausschusses in Berlin zur baden-württembergischen V-Frau „Krokus“ nichts nach außen dringen. Ab 13 Uhr wird ein ehemaliger V-Mann-Führer aus dem Landesamt für Verfassungsschutz befragt. Er soll dazu aussagen, ob er 2007, kurz nach dem Mordanschlag auf Polizeibeamte in Heilbronn, einen Hinweis auf die Beteiligung von NPD-Leuten bekommen habe. Ein Ministeriumssprecher bestätigte am Sonntag, dass der Ausschuss schriftlich ersucht wurde, den Verfassungsschutzbeamten, der sich damals Rainer Oettinger nannte und mittlerweile im Ruhestand lebt, unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu befragen. Zudem soll das Ergebnis der Befragung unter Geheimhaltung gestellt werden. „Wir haben ernst zu nehmende Sicherheitsbedenken“, so der Sprecher in Stuttgart. Sie beträfen in erster Linie den untergetauchten „Verlobten“ von Krokus, Alexander Gronbach. Er habe in der Vergangenheit Gewaltdrohungen gegen die Familie des Verfassungsschutzbeamten gerichtet. Es gebe darüber hinaus „genügend Leute“ aus der aktiven Laufbahn Oettingers, die ein Rachemotiv haben könnten. Der Beamte wird heute in Begleitung eines Anwalts in Berlin erscheinen.

 

Der Ausschuss wird eine Entscheidung über den Antrag Baden-Württembergs am Sitzungsbeginn fällen. Wie zu hören ist, will man dem Wunsch des Innenministeriums nach Nichtöffentlichkeit wohl nachkommen. Doch eine Geheimhaltung der gewonnenen Informationen schließen die meisten Mitglieder im Vorfeld aus. „Wir machen hier keine Lex Baden-Württemberg“, sagte der Sindelfinger CDU-Obmann im Ausschuss, Clemens Binninger. Es seien bisher auch andere Beamte aus Berlin, Sachsen, Thüringen oder von Bundesbehörden vernommen worden, bei denen eine Gefährdung nicht habe ausgeschlossen werden können. Kein Bundesland habe bisher versucht, solche Hürden zu setzen wie Baden-Württemberg.

Binninger und sein baden-württembergischer Ausschusskollege von der FDP, Hartfrid Wolff, sehen sich zunehmend dem Vorwurf ausgesetzt, ihre Aufklärungsarbeit zur Parteiwerbung zu nutzen. Tatsächlich sieht es mittlerweile so aus, dass der Fall Krokus eine tote Spur ist. Der Zeuge Oettinger bestreitet, jemals einen Hinweis auf die Verwicklung von NPD-Leuten mit dem Heilbronner Attentat bekommen zu haben. Womöglich liegt ein Missverständnis vor: Kurz nach dem Attentat 2007 plauderte bei einem Friseurbesuch eine Krankenschwester der SRH-Klinik Neresheim tatsächlich über den Gesundheitszustand des überlebenden, schwer verletzten Polizeibeamten Martin A. Die Friseurmeisterin war die bekannte Rechtsextreme Nelly R. Die Begegnung im Friseursalon hat nach neueren Ermittlungen der Polizei aber zufällig stattgefunden.

Auch der Nagelbombenanschlag wird nochmals Thema

Nicht nur Baden-Württemberg, auch Nordrhein-Westfalen steht laut Binninger nochmals im Fokus des Ausschusses. Es geht um den Kölner Nagelbombenanschlag am 9. Juni 2004. Der Ausschuss hatte Videosequenzen ausgewertet, die von einer Außenkamera des ortsansässigen TV-Senders Viva stammen. In dem Zusammenschnitt ist einer der Attentäter zu sehen, wie er ein Fahrrad mit dem Sprengpaket schiebt. Auf einer Treppe sitzt ein Mann und geht dem Fahrrad nach. Jetzt erfuhr der Ausschuss, dass das Video abgeschnitten wurde. In der ungekürzten Version kommt der Fahrradfahrer später zurück – und hinter ihm wieder der selbe Unbekannte. Der Ausschuss hat die Bundesanwaltschaft aufgefordert, nun das komplette Videomaterial vorzulegen.