Im Münchner NSU-Prozess schildert Jürgen Böhnhardt, wie sein Sohn Uwe in die rechte Szene abglitt – und sich durch elterliche Ermahnungen und Bitten nicht stoppen ließ.

München - „Wir haben versucht, ihn dazu zu bringen, dass er ein ganz normaler Bürger bleibt.“ So fasst Jürgen Böhnhardt, der Vater des inzwischen toten NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt die letztlich gescheiterten Bemühungen der Eltern zusammen. Der 69jährige Rentner berichtet am Donnerstag im Münchner NSU-Prozess, die rechtsextreme Gesinnung seines Sohnes sei im Elternhaus, wo er noch bis 1998 wohnte, allenfalls „unterschwellig mal angekommen“. Er wisse nicht, wo sein Sohn sein Gedankengut herbekommen habe. Niemand in der Familie, im Freundeskreis der Eltern, unter den Arbeitskollegen habe so gedacht. „Er hat nicht mit uns diskutiert.“

 

Wenn die Polizei zu Durchsuchungen in die Wohnung der Eltern gekommen sei und dem Sohn rechtsextrem motivierte Straftaten vorgeworfen habe, habe Uwe ihm gegenüber stets erklärt, „das darfst du nicht so ernst nehmen“, es sei nicht so schlimm gewesen. „Ich habe den Ernst der Lage nicht erkannt“, so der Vater.

Die Haftzeit verändert Uwe Böhnhardt

Im Rahmen der in diesem Fall einfühlsamen, wenn auch entschiedenen Vernehmung durch den Vorsitzenden Richter Manfred Götzl sagte Jürgen Böhnhardt, der 1977 geborene Uwe sei ganz normal aufgewachsen. Er sei aufgeweckt und sportlich gewesen. Irgendwann nach 1988 aber habe er begonnen, die Schule zu schwänzen. Er habe Autos aufgebrochen. Eine erste Haftzeit sei ihm schwer gefallen. Beim Besuchen der Eltern habe er geweint. Danach sei er verändert gewesen und härter geworden. Uwe habe eine Lehre als Maurer absolviert, sei aber bald arbeitslos geworden.

1996 oder 1997 habe der Vater von der Freundschaft seines Sohnes zu Beate Zschäpe und Uwe Mundlos erfahren. Zschäpe und sein Sohn seien „ein Pärchen“ gewesen. „Wir hätten nichts dagegen gehabt, wenn sie ein Paar geworden wären.“ Er habe Beate Zschäpe, die heute Hauptangeklagte im NSU-Prozess ist, damals als „nette, freundliche junge Frau“ kennengelernt, „zurückhaltend gegenüber uns, aber aufgeschlossen“. Sie sei sich nicht zu fein gewesen, auch einmal zuzugreifen. Auch Uwe Mundlos sei ein netter, freundlicher und intelligenter junger Mann gewesen. Die Eltern hätten deshalb gehofft, „dass sie zur Besinnung kommen. Leider ist es so nicht gekommen.“

Erst durch Fotos der Polizei habe er damals erfahren, dass sein Sohn bei rechtsextremen Demonstrationen teilnahm. Aber er habe die Fotos immer erst zu sehen bekommen, „wenn es zu spät war“, wenn er keinen Einfluss mehr habe nehmen können. Später habe er auf solchen Fotos auch Beate Zschäpe entdeckt. Die Eltern hätten versucht, auch „mit den anderen“ ins Gespräch zu kommen. „Aber die haben das Gespräch nicht geführt.“ Gesprochen wurde stattdessen über Zschäpes schwere Kindheit oder über Gartenarbeit.

Das Trio taucht in den Untergrund ab – in Deutschland

Der Vater bestätigte, dass er und seine Frau nach dem Untertauchen des NSU-Trios im Jahr 1998 noch mehrfach mit Zschäpe, Mundlos und ihrem Sohn telefoniert haben. Auch drei direkte Treffen in Chemnitz habe es gegeben. Bei all diesen Gesprächen hätten die Eltern das Trio aufgefordert, sich zu stellen: „Ihr macht es nur noch schlimmer. Es kann nicht gutgehen.“ Die drei hätten aber stets geantwortet: „Wir bleiben.“ 2002 schließlich hätten sie erklärt, dass es keine weiteren Treffen geben werde. Der Vater hatte den Eindruck, dass sie Deutschland verlassen wollten. „Zum Schluss haben sie uns gedrückt.“ Es seien Tränen geflossen. „Dann haben wir nie wieder was gehört, bis wir die Nachricht gekriegt haben.“ Er meint den Anruf von Zschäpe am 4. November 2011, dass ihr Sohn tot ist. Jürgen Böhnhardt sprach den Angehörigen der Opfer sein Beileid aus.