Für Schlagzeilen im Münchner NSU-Prozess sorgte zuletzt die Affäre um eine nicht existierende Nebenklägerin. Dabei ging ein anderer Aspekt unter: Das Ende des Prozesses wird absehbar - und womöglich ein hartes Urteil für Beate Zschäpe.

München - Wird es jetzt eng für Beate Zschäpe? Volle 14 Mal teilte das Gericht ihr in der abgelaufenen Woche verklausuliert mit, dass sie mit einem harten Urteil rechnen muss. „Volle Kanne“, wie ein Prozessbeteiligter am Rande einschätzte. Das hieße: Eine hohe Haftstrafe für die zehn NSU-Morde, möglicherweise lebenslänglich, vielleicht sogar mit Sicherungsverwahrung.

 

Deutlich wurde das am selben Prozesstag, an dem das Gericht die Affäre um die nicht existierende Nebenklägerin „Meral Keskin“ ins Rollen brachte. Richter Manfred Götzl setzte Nebenklage-Anwalt Ralph Willms aus Eschweiler mit bohrenden Nachfragen über den Aufenthalt seiner Mandantin unter Druck, die angeblich zu den Geschädigten des Bombenanschlags an der Kölner Keupstraße gehörte. Wenige Tage später ließ Willms, inzwischen selber anwaltlich vertreten, erklären, die Mandantin existiere wohl nicht und er selber sei Opfer einer Täuschung geworden. Zu den offenen Fragen gehört, warum er das erst nach zweieinhalb Jahren und mehr als 230 Verhandlungstagen bemerkte.

Am selben Tag begann das Gericht aber auch damit, reihenweise Beweisanträge abzulehnen. Am Ende der letzten Verhandlungswoche waren es 14 Anträge, von denen der älteste schon vor zwei Jahren gestellt worden war. Die Begründung war immer dieselbe: Man brauche diese Beweise nicht mehr für die „Entscheidungsfindung“.

Da ging es etwa um die Herkunft zweier Tatwaffen. Ein Dortmunder Neonazi habe sich damit gebrüstet, er wisse, dass die Pistolen über Szene-Kanäle aus Belgien eingeschmuggelt geworden seien. Diesen Mann wollten mehrere Nebenkläger als Zeugen laden lassen. Das Gericht lehnte auch das ab, obwohl bei fast allen Tatwaffen ungeklärt ist, woher sie stammen. Für das Urteil gegen Zschäpe sei das nicht mehr von Belang, gab der Richter zu verstehen.

Das war schon für sich genommen bemerkenswert. Zahlreiche Prozessbeteiligte werteten Götzls Begründung als Anzeichen dafür, dass das Strafmaß mehr oder weniger feststehe. Bemerkenswert war aber auch, wie Zschäpe darauf reagierte - nämlich gar nicht. Dabei hätte sie mit einem Befangenheitsantrag kontern können, sagen Juristen, die an dem Prozess teilnehmen. Sie hätte dem Gericht vorwerfen können, es habe sein Urteil schon heimlich gefällt, obwohl die Beweisaufnahme noch gar nicht beendet ist.

Eine Unbekannte gibt es - Beate Zschäpe

Dass Zschäpe nicht reagierte, könnte wiederum an dem nach wie vor konfliktbeladenen Verhältnis zu drei ihrer insgesamt vier Verteidiger liegen. Ihre drei ursprünglichen Anwälte, Wolfgang Stahl, Wolfgang Heer und Anja Sturm, wollte sie zuletzt vergangenen Sommer loswerden, was misslang. Als vierten Verteidiger teilte das Gericht ihr den Münchner Juristen Mathias Grasel zu.

Als Richter Götzl jetzt die Serie der Beweisanträge ablehnte, da blickte Grasel, links neben Zschäpe sitzend, schweigend auf den Monitor seines Laptops. Einmal war aber zu sehen, wie Rechtsanwalt Wolfgang Stahl, rechts neben Zschäpe, sie ansprach. Sie wandte sich wortlos ab und antwortete nicht.

Überwiegend einig sind sich die Prozessbeteiligten, dass das Gericht mit der Ablehnung der Beweisanträge auch das Ende des NSU-Prozesses eingeläutet habe. Nächstes Frühjahr, so spekulieren manche, könnte das Urteil gesprochen werden. Bis dahin könnten die letzten, bereits geplanten Zeugen gehört und Beweismittel gesichtet sein. Anschließend stünden die Plädoyers auf der Tagesordnung. Auch die würden einige Zeit in Anspruch nehmen, denn auch die rund 80 Nebenkläger dürfen plädieren.

Eine Unbekannte gibt es allerdings - wiederum Beate Zschäpe. Nach wie vor weiß kein Außenstehender, ob sie und ihr neuer Anwalt Grasel nicht doch eine Überraschung austüfteln. In einem ihrer Briefe an das Gericht hatte sie im Sommer in Aussicht gestellt, sie wolle „etwas“ sagen, sofern das Gericht ihr Grasel als vierten Anwalt zur Seite stellt.

Sollte das ein Deal gewesen sein: Das Gericht hätte sich daran gehalten. Zschäpe wäre am Zug. Und sollte sie reden, dann könnte sich der Prozess doch noch länger hinziehen. Das Gericht müsste dann ihre Aussagen überprüfen und dafür noch einmal Zeugen laden und Dokumente sichten, heißt es in Justizkreisen.