Letzter Verhandlungstag vor der Sommerpause: Am Dienstag hat das Gericht neue Terminpläne für den NSU-Prozess herausgegeben. Sie reichen bis September 2016.

München - Am letzten Sitzungstag vor der Sommerpause im Münchner NSU-Prozess wirkt es fast wie ein Signal: Das Gericht lässt eine Liste mit neuen Terminen verteilen. Die reichen vorsorglich bis September 2016, also mehr als ein Jahr in die Zukunft. Und der Vorsitzende Richter Manfred Götzl, das wird aus der Liste deutlich, will das Tempo wieder anziehen: Es soll künftig wieder an drei Tagen pro Woche verhandelt werden - zuletzt waren es maximal zwei.

 

Götzl will - das ist seine Ansage - die Turbulenzen der vergangenen Wochen endlich hinter sich lassen. Denn wochenlang hatte nicht mehr der eigentliche Prozess, hatte nicht die Aufarbeitung der Morde und Anschläge des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ die Schlagzeilen beherrscht. Stattdessen ging es um Verfahrensfragen, besonders diese: Darf die Hauptangeklagte Beate Zschäpe ihre ursprünglichen Pflichtverteidiger behalten? Oder gerät der Prozess ins Wanken?

Man konnte zuletzt den Überblick verlieren über die diversen Versuche Zschäpes, den Prozess zu torpedieren und ihre drei Anwälte Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm loszuwerden. Doch auch mehrere Entpflichtungsanträge (irgendwann auch der Anwälte selbst) und sogar eine Strafanzeige Zschäpes gegen die drei verliefen im Sande.

Was kommt als nächstes von Zschäpe und Grasel?

Trotzdem gab es in dem seit Mai 2013 laufenden Verfahren mit mehr als 220 Verhandlungstagen kürzlich eine Zäsur: Das Gericht bestellte den Münchner Mathias Grasel als vierten Verteidiger. Die Unruhe ist seither massiv gewachsen - und ständig schwingt nun die Frage mit, was Zschäpe und Grasel wohl als nächstes aushecken. All dies würde das Mammutverfahren immer weiter in die Länge ziehen.

Zuletzt war der Prozess eigentlich wieder gut vorangekommen. „Wir haben alle wesentlichen Komplexe durch, angefangen von den Morden über die Sprengstoffanschläge, die Brandstiftung in der Frühlingstraße und auch die Raubüberfälle“, sagt Bundesanwalt Herbert Diemer. Es seien aber „jetzt noch viele Kleinigkeiten zu machen“.

Dass das lange dauert, hält der Bundesanwalt für normal. „Wir haben keinen Zeugen, der uns sagen kann, so und so war es“, erklärt er. „Wir haben Indizien, die müssen alle erhoben werden. Deshalb ist die Länge des Verfahrens im Vergleich zum Verfahrensstoff so ungewöhnlich nicht.“

Und wo steht der Prozess inhaltlich? Haben sich die Vorwürfe gegen Zschäpe und die vier Mitangeklagten bislang bestätigt? Kann Zschäpe am Ende tatsächlich als Mittäterin an allen Taten des NSU verurteilt werden, so wie es ihr die Anklage vorwirft? Ihre Verteidiger sehen das nicht. Es gebe nur eine „ganz dünne Tatsachengrundlage“, argumentierte Anwalt Stahl vor kurzem.

Zschäpe hat sich selbst geschadet

Diemer dagegen betont: „Bisher haben sich aus meiner Sicht unsere Ermittlungen in der Beweisaufnahme voll widergespiegelt.“ Ins Wanken geraten ist nach Einschätzung von Prozessbeteiligten aber immerhin eine wichtige These der Anklage: Dass die drei mutmaßlichen Neonazi-Terroristen - Zschäpe und ihre mittlerweile toten Kumpane Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt - über die Jahre durchweg zusammengewohnt haben sollen. Und eine Frage, die vor allem Nebenkläger immer wieder aufwerfen: Kann es wirklich sein, dass der NSU ein derart kleiner Dreier-Kreis war?

Fakt ist aber: Mit ihren Störmanövern hat Zschäpe sich geschadet. Schließlich vermittelte sie so das Bild, das die Anklage von ihr zu zeichnen versucht: als manipulative Person, die die Fäden fest in der Hand hält. Zschäpe selbst machte ja öffentlich, was Heer, Stahl und Sturm ihr einmal vorhielten: dass sie sich sozusagen als „Vorsitzende der Verteidigung“ geriere. War Zschäpe also auch „Vorsitzende“ des NSU? Diese Frage wird das Gericht nach der Sommerpause weiter versuchen zu ergründen. Viele Mosaiksteine wurden bereits zusammengesetzt, viele fehlen aber auch noch. Am 2. September geht der Prozess weiter.