Im Münchner NSU-Prozess werden die Menschen, die vor Gericht erscheinen, sehr unterschiedlich behandelt. Richter Manfred Götzl gibt den Ton vor – und der ist nicht immer freundlich.

München - „Ich möcht’ halt auch mal nach Hause“, sagt der Zeuge im Münchner NSU-Prozess. Er war auf 10.30 Uhr geladen. Jetzt ist es kurz vor 18 Uhr. Zuvor, seit dem Morgen, war seine Mutter verhört worden. Das Zuhause ist in Zwickau. Auch die Mutter wollte zurück, weil die Tochter heute Geburtstag habe. Das wird nicht mehr klappen. Nein, Patrick K., die arbeitslose „Fachkraft für Sicherheit“, ist kein angenehmer Zeuge und auch kein besonders glaubwürdiger. Er stänkert auf Facebook gegen Ausländer. Von sich selbst sagt er, dass er früher einmal rechts war, inzwischen aber nicht mehr. Der Zeuge, der als Jugendlicher im selben Haus wie das NSU-Trio gewohnt hat, verwickelt sich in Widersprüche, kann sich schlecht erinnern.

 

Er sagt nicht viel mehr, als dass Beate Zschäpe stets freundlich und hilfsbereit war. Das haben auch schon andere ausgesagt. Aber wenn man der Bundesanwaltschaft an diesem Tag zuhört, wie sie Patrick K. anfährt, ihm die Glaubwürdigkeit abspricht, ihm droht, dann ist nicht mehr so ganz klar, ob er in diesem Verfahren angeklagt ist oder immer noch Beate Zschäpe und die vier, die mit ihr auf der Anklagebank sitzen. Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl hat diesen Ton vorgegeben, er schützt den Zeugen nicht. Das fällt an diesem Tag deshalb besonders auf, weil nur eine halbe Stunde zuvor ein anderer Zeuge dazwischen geschoben worden ist, der nicht so lange warten musste.

Viele Zeugen verwickeln sich in Widersprüche

Er ist kein Vertreter der Unterschicht. Er hat an André E., einen der Angeklagten, eine Wohnung vermietet und diese fristlos gekündigt, als ein Polizeikommando die Wohnung durchsucht und dabei „einen gewissen Schaden hinterlassen hatte“. Dieser Zeuge weiß sich, anders als Patrick K., auszudrücken. Aber auch dieser Mann verwickelt sich in einen unauflösbaren Widerspruch.

Er glaubt beim Einzug der Familie von André E. entweder Uwe Böhnhardt oder Uwe Mundlos gesehen zu haben. Das sind die beiden Haupttäter des NSU, die sich selbst getötet haben. Aber der Zeuge benennt bei der Polizei den einen Uwe und jetzt vor Gericht mit genau so großer Überzeugung den anderen Uwe als den Umzugshelfer. Nur eines kann stimmen. Richter Götzl verweist diesmal sehr freundlich darauf. Am Ende ist klar, dass nichts klar ist. Götzl verabschiedet diesen Zeugen freundlich. Welch ein Unterschied zu der Kälte, mit der er Patrick K. wegschickt.

Beate Zschäpe könnte aufklären – doch sie schweigt weiter

Andere Zeugen erinnern sich in dieser Woche wieder daran, wie nett das NSU-Trio auf einem Campingplatz auf Fehmarn war. Der eine Uwe sei ein „Frauenversteher“ gewesen. Niemand im Münchner Gerichtssaal behauptet deshalb, diese Zeugen aus der Mittelschicht wollten Zschäpe schonen. Bei allen Widersprüchen und Erinnerungslücken, in einem für die Angeklagte nicht ganz unwichtigen Punkt sind sich Patrick K. und seine Mutter einig: Zschäpe habe Patrick davor gewarnt, in die rechte Szene abzurutschen.

Die Mutter nervt als Zeugin, weil sie immer wieder behauptet, „andere Sorgen zu haben“. Was das denn für Sorgen seien, fragt schließlich eine Nebenklägervertreterin. Ein naher Angehöriger sei gestorben, sie habe einen Herzinfarkt und es gebe den Vorwurf, der leibliche Vater habe ihre Tochter missbraucht. Trotzdem müssen sie hier die Wahrheit sagen, antwortet spontan die Anwältin. Kein Augenblick des Innehaltens im Gerichtssaal. Die Zeugin fügt dann noch eine Episode über Zschäpe hinzu, der sie alle eigenen Probleme erzählt habe, und von deren Leben sie doch nur wenig wisse: Drei Tage vor dem Selbstmord der beiden Uwes und der (mutmaßlichen) Brandstiftung Zschäpes sei ihre Freundin letztmals bei ihr gewesen. Zschäpe sei bedrückt gewesen, so als ob sie etwas erzählen wollte, was sie dann doch nicht getan habe. Am Ende habe sie sie ganz fest gedrückt. Nur Zschäpe selbst könnte sagen, was sie damals bewegt hat. Doch die schweigt.