Ein Unternehmen soll den Weg aus der städtischen Verschuldung aufzeigen. Der Beschluss stößt bei den Etatberatungen im Gemeinderat auf Kritik.

Nürtingen - Der Stadt Nürtingen droht bis zum Jahr 2015 ein Schuldenberg in Höhe von 48 Millionen Euro. Dieses Szenario vor Augen, hat der Gemeinderat mit den Stimmen der CDU, Freien Wähler, Jungen Bürger und der FDP beschlossen, ein externes Büro einzuschalten. Das Kommunalberatungsunternehmen soll Sparpotenziale aufzeigen und Vorschläge für effektivere Verwaltungsabläufe machen. Die Ergebnisse sollen zu den Beratungen für den Etat 2013 vorliegen. Das Ziel ist die „mittelfristig vollständige Entschuldung“ der Stadt, wie es in dem interfraktionellen Antrag heißt.

 

Der Schritt stößt bei den Fraktionen der SPD und Nürtinger Liste/Grüne auf Ablehnung. Nicht nur, dass sie sich von dem Vorstoß der anderen Fraktionen überfahren fühlten. Die SPD sieht die Verwaltung „selber in der Lage, Kürzungsvorschläge zu machen“, über die dann der Gemeinderat entscheiden müsse. Mit der Beauftragung einer Beraterfirma schlichen sich die Antragsteller aus ihrer Verantwortung. „Das ist Feigheit vor dem Wähler“, meinte der SPD-Fraktionsvorsitzende Hans-Wolfgang Wetzel.

„Es ist überhaupt keine Schande, wenn wir sagen, das wir eine professionelle Beratung brauchen“, konterte Thaddäus Kunzmann (CDU). Seine Fraktion scheue auch unpopuläre Entscheidungen nicht. Dies hätten die Sparbeschlüsse im Jahr 2010 gezeigt. Es sei vielmehr so, „dass wir ein bisschen ratlos sind, wie es weitergehen soll“.

Sozialer und kultureller Kahlschlag befürchtet

Der Fraktionsvorsitzende der Nürtinger Liste/Grüne, Peter Braunmüller, fürchtet, „dass es zu gravierenden sozialen Ungerechtigkeiten kommen wird“. Sein Fraktionskollege Peter Rauscher erwartet, dass die Beratungsfirma Einschnitte bei den freiwilligen sozialen und kulturellen Leistungen vorschlägt. „Genau die machen aber eine Stadt attraktiv“, gab Rauscher zu bedenken. Die Verschuldung sei nicht ein Nürtinger Problem, sondern eines aller Städte und Gemeinden. Rauscher forderte einen „Rettungsschirm“ und einen „Schuldenschnitt“ für Kommunen als ersten Schritt aus der finanziellen Klemme.

Dieter Braunmüller rügte die Initiative der vier Fraktionen als „inkonsequent“. „Wenn der Wille zum Sparen ehrlich ist, sollte man unverzüglich damit beginnen“, sagte der Grünen-Chef und forderte, eine halbe Million Euro in die „Sparbüchse“ der Stadt zu stecken. Das ist eben der Betrag, den CDU, Freie Wähler, Junge Bürger und FDP in den derzeit laufenden Haushaltsberatungen als Sondersanierungsprogramm für die Gebäudewirtschaft Nürtingen und den Tiefbau vorsehen.

Zur Gegenfinanzierung soll das Dach der alten Melchiorfabrik nicht saniert werden. Weiter ist ein Verzicht auf einen Stellenzuwachs im Rathaus sowie eine globale Minderausgabe bei der Verwaltung um 150 000 Euro vorgesehen. Michael Brodbeck (Freie Wähler) verteidigte das Programm mit Blick auf marode Straßen und Gebäude. „Jede Investition in eine Sanierung senkt Folgekosten“, argumentierte er.

Esslingen hatte Kienbaum beauftragt

Otmar Heirich begrüßt die Hinzuziehung einer Beraterfirma, die nicht mehr als 150 000 Euro kosten soll. Laut dem Nürtinger Oberbürgermeister sind schon andere Kommunen diesen Weg gegangen. Im Jahr 2003 hatte die Stadt Esslingen für 330 000 Euro Kienbaum engagiert. Das Gutachten enthielt 211 Vorschläge zur Effizienzsteigerung und Kostenreduzierung. Das 2009 abgeschlossene Programm hat in der Tat zu den avisierten Einsparungen von jährlich rund fünf Millionen Euro geführt. Dabei hat der Stadtrat längst nicht alles umgesetzt. Die Schließung der Musikschule oder die Streichung des Zuschusses für die Württembergische Landesbühne etwa lehnte er einhellig ab. Ungeachtet der Einsparungen infolge des Kienbaum-Gutachtens ist die Stadt Esslingen danach um weitere Sparrunden nicht herum gekommen.