Winfried Kretschmann ist von der grünen Basis erneut zum Nürtinger Landtagskandidaten ernannt worden. In der Stadthalle fühlte sich Kretschmann sichtlich wohl.

Entscheider/Institutionen : Kai Holoch (hol)

Nürtingen - Dafür, dass sich nur ein einziger Kandidat bewirbt, ist das Interesse gewaltig. Die Pressebank im Kleinen Saal der Nürtinger Stadthalle reicht nicht aus, um allen Medienvertretern einen Platz zu bieten. Auch die zahlreich erschienene grüne Basis weiß genau, was sie dem Mann verdankt, der sich am Donnerstagabend erneut zum Landtagskandidaten seiner Partei im Wahlkreis Nürtingen ernennen lassen will. Schließlich heißt er Winfried Kretschmann und ist der erste grüne Ministerpräsident von Baden-Württemberg.

 

Dank an die Nürtinger Basis

Der fühlt sich in dieser Runde sichtlich wohl. Er erzählt vom alljährlichen Silvesterwiegen an gleicher Stelle, bei dem es ihm immer gelinge, sein Gewicht zu halten – „so zwischen 95 und 99 Kilo.“ Und in sympathischer Offenheit macht er sich über seinen Amtsbonus lustig. „Ich war ja nun nicht immer so beliebt bei den Grünen wie gerade jetzt“, sagt er augenzwinkernd. „Aber der Esslinger Kreisverband hat immer hinter mir gestanden. Dieser Basis habe ich sehr, sehr viel zu verdanken“, verteilt er eifrig Streicheleinheiten. Dann erinnert er an die Situation 2010: „Wer hätte vor fünf Jahren bei der Nominierungsversammlung gedacht, dass wir schon bald dieses Land regieren würden?“

Dass die Grünen und auch er als Ministerpräsident das überaus gut machen – und es natürlich auch weiterhin tun sollten – davon ist Winfried Kretschmann überzeugt. Die positiven Umfrageergebnisse seien unter anderem darauf zurückzuführen, „dass wir besonders da gut sind, wo es niemand erwartet hat: nämlich in der Wirtschaftspolitik.“ Die Grünen würden vorleben, dass der ökologisch dringend notwendige Umbau der Gesellschaft nur dann erfolgreich zu verwirklichen sei, wenn er sich ökonomisch rechne. Wenn ein Land überhaupt in der Lage sei, hier eine Vorbildfunktion zu übernehmen, dann sei das Deutschland im Allgemeinen und natürlich Baden-Württemberg mit seinen innovativen Mittelständlern im Besonderen. Es müsse gelingen, die Wirtschaftsentwicklung vom Naturverbrauch abzukoppeln. Wenn sich auf diese Weise Geld verdienen lasse, dann habe das globale Folgen.

Anstrengende Politik des Gehörtwerdens

Auch wenn der Ministerpräsident betont, dass er erst nach Silvester mit dem Wahlkampf beginnen will, so wirken weite Teile seiner 45-minütigen Rede so, als würde er schon einmal dafür proben. Die digitale Revolution, die große Aufgabe, den Bildungserfolg von Kindern von deren sozialer Herkunft zu entkoppeln und die Stauproblematik rund um Stuttgart, die den Wirtschaftsstandort gefährde, sind seine Themen.

Allerdings räumt er ein, dass die von den Grünen propagierte „Politik des Gehörtwerdens“ gelegentlich Probleme mit sich bringe: „Ich habe gelernt, dass viele Bürger, wenn sie am Schluss nicht Recht bekommen, den Eindruck haben, dass sie überhaupt nicht gehört worden sind. Das ist anstrengend“, sagt Kretschmann. Ein bisschen stolz sei er deshalb darauf, „dass ich wirklich erst einmal, bei einem notorischen Windkraftgegner, ausgerastet bin.“ Der sitzt an diesem Abend aber gewiss nicht im Saal: Denn bei lediglich zwei Enthaltungen stimmen alle Parteifreunde am Schluss für Winfried Kretschmann. Mit dem gleichen Ergebnis wird Ingrid Grischtschenko, die Grünen-Fraktionschefin im Regionalparlament und im Leinfelden-Echterdinger Gemeinderat, zur Zweitkandidatin gekürt.