Rund 30 Asylbewerber postieren sich in der Innenstadt, um auf die für sie belastende Wohnsituation in der Sporthalle auf dem Säer aufmerksam zu machen. Das Landratsamt zeigt Verständnis, sieht sich aber selbst in einer schwierigen Lage.

Nürtingen - Es ist ein stiller Protest. Zwischen 20 und 30 Asylbewerber sind vor das Nürtinger Rathaus gezogen. Mit der Aktion wollen sie auf die schwierigen Umstände in der Sporthalle auf dem Säer aufmerksam machen. In der Einrichtung hat der Landkreis Esslingen zeitweise bis zu 280 Flüchtlinge nach ihrer Ankunft in Deutschland vorläufig untergebracht. Wie in allen großen Einrichtungen dieser Art sind auch die Verhältnisse auf dem Säer beengt. Viele Nationalitäten leben auf kleinem Raum zusammen, die Wohnsituation ist gekennzeichnet durch provisorische Trennwände und wenig Privatsphäre.

 

Flüchtlinge sehnen sich nach Ruhe und Sicherheit

Der etwa zwei Stunden dauernde Protest ist friedlich. Die Kritik der Flüchtlinge ist indessen deutlich. „Wir sind nicht Tiere“, haben manche von ihnen auf Pappkartons geschrieben. „Hier gibt es keine Fairness, kein gutes Leben, keine Sicherheit und keinen Respekt“, klagt ein anderer auf Englisch. „Wir brauchen unsere Rechte und den Frieden wiederhergestellt“, fordert ein anderer ebenfalls auf Englisch.

Für die Flüchtlinge, darunter viele Syrer, ist es ein Hilfeschrei. „Sie fühlen sich körperlich bedroht, Handys und Wertsachen werden geklaut, Messerstechereien kommen vor. Sie können nicht schlafen, einer ist schon mehrmals in der Psychiatrie gewesen“, beschreiben ehrenamtliche Helfer die Lage auf dem Säer.

Landkreis hält die große Halle für „nicht optimal“

Manche der Bewohner hätten nun Angst vor einer Eskalation und wollten lieber draußen schlafen. Daher rühre auch der Entschluss, mit einer Demonstration auf sich und ihre „desolate Situation“ aufmerksam zu machen. „Es gibt ein großes Konfliktpotenzial, es ist hochbrisant“, fasst ein Ehrenamtlicher zusammen.

Zwar leben die Flüchtlinge in Nürtingen, aber die Stadtverwaltung dort fühlt sich nicht zuständig und verweist auf die Verantwortlichkeit des Landkreises. „Wir wissen, dass die Unterbringung in der Säerhalle nicht optimal ist“, sagt der Sprecher des Landratsamts, Peter Keck. Notgedrungen habe man wegen der Zuweisungen durch das Land aber auch auf große Einheiten zurückgreifen müssen. Nach wie vor sei der Kreis Esslingen bei der Aufnahme von Flüchtlingen im Rückstand. Bis zum August, so die Hoffnung, soll die festgelegte Quote aber erfüllt sein.

Das Ziel sei, erklärt Peter Keck, die großen Unterkünfte nach und nach aufzugeben und Asylbewerber in kleinere Einheiten zu verlegen: „Wir müssen die Flüchtlinge aus der prekären Unterbringung in nachhaltige Unterkünfte verlegen“. In diesem Jahr seien 3200 solcher Plätze geplant, in der Umsetzung oder bereits fertig. Von heute auf morgen sei dies jedoch nicht leistbar. „Faktisch ist es nicht möglich schneller zu bauen“, sagt Peter Keck.

Arbeitskreis trifft sich zu einer Krisensicherung

Proteste wie jetzt in Nürtingen sind bisher eher die Ausnahme. Doch es gab vergleichbare Aktionen zuvor schon in anderen baden-württembergischen Städten, etwa in Tübingen. Indessen hat sich in Nürtingen nach dem Protest der Arbeitskreis Integration Säer zu einer Krisensitzung getroffen. Bereits im April hätten die Ehrenamtlichen das Landratsamt auf die „schwierigen Umstände“ in der Säerhalle hingewiesen. „Die dort untergebrachten Menschen werden mit zunehmender Verweildauer unruhig, frustriert, wütend und teilweise streitbar“, heißt es in einer Pressemitteilung des Arbeitskreises weiter.

Dies sei nachvollziehbar, da die Menschen in der großen Halle in der Nacht kaum zur Ruhe kämen und viele unter Schlafstörungen leiden würden. Das Ziel müsse sein, gemeinsam mit dem Landratsamt und den Flüchtlingen an konkreten Verbesserungen zu arbeiten. So sollte die Halle „nicht unbedingt bis zum letzten Platz belegt sein, sondern durch mehr freie Parzellen ruhiger werden. Auch fordern wir eine höhere Zahl Sozialarbeiterstunden, die den Bewohnern der ,Notunterkunft‘ zugutekommen könnten“, so der Arbeitskreis.