Ein Gutachten zur Haushaltskonsolidierung liegt vor. Der Gemeinderat diskutiert unter anderem über eine Abschaffung der Ortschaftsverwaltungen.

Nürtingen - Viele der Sparvorschläge, die das mit Spannung erwartete Gutachten der Beraterfirma Imaka enthält, sind nicht neu. Die Schließung des Stadtmuseums als ein möglicher Beitrag zur Haushaltskonsolidierung etwa hat bereits im Jahr 2005 zur Debatte gestanden. Auf mehr als 300 000 Euro jährlich könnten sich die Einsparungen belaufen. So wie damals sind die Finanzen auch heuer angespannt. Laut der Kämmerei droht Nürtingen bis Ende 2015 in einem Schuldenberg von 30 Millionen Euro zu ersticken.

 

Vor diesem Hintergrund haben vor einem Jahr die CDU, die Freien Wähler, die Jungen Bürger und die Liberalen im Gemeinderat durchgesetzt, dass eine Beraterfirma den städtischen Haushalt durchleuchtet und Sparpotenziale aufzeigt. Dabei haben die Mitarbeiter von Imaka auch die Nürtinger Teilorte ins Visier genommen. Dass eine Zusammenlegung der Bauhöfe erheblich Geld sparen würde, hatte vor einigen Jahren schon einmal ein Gutachten nahegelegt. Eine Zentralisierung in der Kernstadt birgt laut Imaka ein Potenzial von einmalig rund einer Million Euro.

Die Bauhöfe sollten zusammengelegt werden

Hinzu kämen jährliche Einsparungen, die sich ebenfalls in dieser Größenordnung bewegen könnten. Damit verbunden wären allerdings ein Abbau von bis zu zwölf Vollzeitstellen und ein Zurückfahren des „überdurchschnittlich hohen“ Standards. Bei geringeren Einschnitten läge die jährliche Ersparnis laut den Imaka-Berechnungen noch bei immerhin 670 000 Euro.

Neben der Auflösung der Ortsteilbauhöfe empfiehlt das Gutachten auch, die Ortschaftsverwaltungen auf den Prüfstand zu stellen. Eine Auflösung der Rathäuser hätte einen Einmaleffekt von 560 000 Euro und wäre zudem mit Einsparungen von jährlich rund 200 000 Euro verbunden. Imaka: „Das Verhältnis von Nutzen und Aufwand hat bereits in vielen Kommunen zu einer Abschaffung geführt.“

Was für die Ortschaftsverwaltungen gilt, trifft auch auf die Ortschaftsverfassung und die unechte Teilortswahl zu. Sich von letzterer zu verabschieden, wäre mit Minderausgaben von rund 14 000 Euro verbunden. Die Ersparnis erklärt sich daraus, dass der Gemeinderat von 39 auf dann 32 Sitze schrumpfen würde. Jeder Sitz kostet die Stadt 2000 Euro im Jahr. Bei rund 250 000 Euro liegen die Personalkosten für die Ortsvorsteher. Bei einer Auflösung der Ortschaftsverfassung läge somit das Konsolidierungspotenzial einschließlich eingesparter Sitzungsgelder und Entschädigungen für das Ehrenamt bei 280 000 Euro.

Volkshochschule und Bücherei sind überdurchschnittlich

Imaka hat auch die sozialen und kulturellen Leistungen unter die Lupe genommen. Im Betreuungsbereich etwa rät das Büro unter anderem, die Höhe der städtischen Zuschüsse zu prüfen. Städtische Einrichtungen wie die Musik- und Jugendkunstschule seien defizitär. Die Volkshochschule und die Stadtbücherei böten jeweils ein überdurchschnittliches Angebot. Insgesamt leiste sich Nürtingen viel. So liegen laut Imaka die Kulturausgaben im Vergleich mit Kirchheim um rund 40 Prozent höher. Die Kürzungsvorschläge liegen nun auf dem Tisch. Mit Beginn der Etatberatungen am Dienstag diskutiert der Gemeinderat darüber, ob und in welchem Ausmaß er die Vorschläge von Imaka aufgreift.

Das Leistungsspektrum und das Medienangebot der Stadtbücherei Nürtingen liegen Imaka zufolge „deutlich über dem landesweit üblichen Schnitt“. Möglich wären laut der Beraterfirma eine Absenkung des Medienbestands um 20 Prozent und die Verringerung der Öffnungszeiten um bis zu 15 Prozent. Zusammen mit einer Gebührenanhebung und einer Reduzierung der Außenstellen würde die Stadt 200 000 Euro jährlich sparen.

Wie die Bücherei, so bietet auch die VHS in Nürtingen viel. Entsprechend hoch ist Imaka zufolge der Zuschussbedarf. Die Berater empfehlen, über die künftige Ausrichtung der VHS zu diskutieren. Das Sparpotenzial wird im „hohen sechsstelligen Bereich“ angesiedelt.

Derzeit werde die Musikschule „nicht wirtschaftlich geführt“, so Imaka. Nachzudenken sei über eine Angebotsreduzierung, mehr Gruppen- statt Einzelunterricht sowie über die Abschaffung von kostenfreien Leistungen. Die Einsparmöglichkeiten lägen bei 135 000 Euro.

Voraussichtlich gibt es in den Nürtinger Kindergärten für über Dreijährige eine Überkapazität von 170 Plätzen. Denkbar wäre laut Imaka, diese in Plätze für die Kleinkindbetreuung umzuwidmen. Um Möglichkeiten für Einsparungen im Kindergartenbereich zu beurteilen, müsse zunächst aber der Masterplan abgewartet werden, an dem zurzeit gearbeitet wird.

Nicht untersucht hat die Beratungsfirma Freizeiteinrichtungen, Sportstätten, Bäder und Gebäude. Erfahrungsgemäß könne jedoch auch in diesen Bereichen gespart werden, um den Etat in die Balance zu bringen.

Kommentar: Kraftakt nötig

Nürtingen - Es ist ein déja vu. Schon einmal, im Jahr 2005, hätten die Nürtinger Stadträte schmerzliche Einschnitte beschließen sollen, um die Finanzen zu ordnen. Weitreichende Beschlüsse blieben damals aber aus, die Krise ging vorüber. Die Schuldenfalle vor Augen, sind die Kommunalpolitiker nun erneut zum Schwur aufgefordert. Um nennenswert zu sparen, sind unpopuläre Entscheidungen nötig.

Gut ein Jahr vor der nächsten Kommunalwahl fällt das umso schwerer. An maßvollen Kürzungen im Kultur- und Sozialbereich wird kaum ein Weg vorbeiführen. Ein Kahlschlag jedoch kann nicht im Interesse der Stadt sein. Diese muss nun Prioritäten setzen. Statt das Museum oder die Jugendkunstschule zu schließen, sollten zunächst Doppelstrukturen abgebaut werden.

Diese gibt es in den Teilorten. Die Ortschaftsverwaltungen und die Bauhöfe aufzulösen würde dort zwar zu einem Aufschrei führen. Angesichts des Sparpotenzials im Millionenbereich sollte der Rat das aber aushalten. Auch in Esslingen hat es vor einigen Jahren in Berkheim und Zell Widerstand gegen die Abschaffung der Ortschaftsräte gegeben. Zu Nachteilen hat die Entscheidung nicht geführt. Dasselbe gilt für die Abkehr von der unechten Teilortswahl. Wenn der Nürtinger Gemeinderat künftig „nur“ noch 32 Mitglieder hätte, wäre das kein Verlust. Durch Bürgerausschüsse würden die Interessen der Teilorte auch künftig angemessen berücksichtigt.