Nach einem Erdrutsch in der Panoramastraße in Nürtingen-Zizishausen haben 35 Menschen ihre Häuser verlassen müssen. Die Polizei vermutet eine unzureichende Bausicherung als Ursache für das Abrutschen einer Terrasse vor einem Neubau.

Nürtingen - Wegen eines Hangrutschs in Nürtingen-Zizishausen (Kreis Esslingen) in der Nacht zum Mittwoch mussten 14 Häuser evakuiert werden. Es handelte sich um die große Terrasse vor einem Rohbau in der Panoramstraße. Sie war auf dem aufgeweichten, steilen Hang abgesackt und hatte Felsbrocken und Bäume gelöst. Diese drohten auf die Häuser auf der gegenüberliegenden Seite der kleinen Wohnstraße und an der Aichstraße zu stürzen. Die 35 Bewohner dieser Gebäude sind größtenteils bei Verwandten und Bekannten untergekommen. Die Polizei ermittelt wegen des Verdachts der Baugefährdung, weil der Hang für den Bau der Terrasse „vermutlich nicht ordnungsgemäß“ gesichert worden sei, wie Michael Schaal, ein Sprecher der Polizei, betonte.

 

Der Geologe Eckart Bauer vom Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau (LGRB) erklärte noch vor Ort, auch seine erste Vermutung sei, dass die Terrasse „nicht anständig gegründet“ worden sei. Zumal das Gelände seiner Behörde als „gefährdeter Rutschhang“ bekannt sei. Ob das Erdreich durch die Regenfälle der vergangenen Tage zusätzlich labil geworden sei, stehe noch nicht fest. Sicher sei aber, dass es in der Nacht zum Mittwoch in Zizishausen nicht geregnet habe.

Laut einer Auskunft des Experten bewegten sich die Terrasse und das Erdreich noch am Mittwochvormittag mit einer Geschwindigkeit von zehn Zentimetern pro Stunde talwärts. Das Technische Hilfswerk (THW) nahm ständig Messungen vor, um die Geschindigkeit zu kontrollieren. Laut einer Auskunft der Stadt Nürtingen ist der Rohbau des Wohnhauses über der samt einer Gabionenwand abgerutschten Terrasse standfest.

Markus Braun steht mit seiner Sporttasche vor dem Absperrband der Feuerwehr und schaut auf das Haus in der Panoramastraße, das er am frühen Morgen verlassen musste. Schon 30 Minuten nach Mitternacht hätten Anwohner bemerkt, dass sich vom Baugrundstück mehrere Bäume und große Felsbrocken mit bis zu zwei Metern Durchmesser gelöst hatten und auf der darunter liegenden Panoramastraße aufgeschlagen seien. Daraufhin sei die Polizei alarmiert worden, „und die Feuerwehr war schon kurz nach 1 Uhr da“, sagt der junge Mann.

Schließlich sei für die Anwohner die „Bedrohungslage zu groß“ gewesen. Zunächst seien sieben Häuser evakuiert worden. Weitere sieben wurden am Morgen geräumt. Die Einsatzkräfte hätten „gut und richtig gehandelt“, sagt Markus Braun. Er und seine Familie würden jetzt von der Stadt informiert, ob und wann sie wieder in das Haus zurückkehren können.

Am Spätnachmittag dann wurde bekannt, dass bis auf neun Personen aus drei Häusern alle Anwohner wieder in ihre Wohnungen zurückkehren können. Inzwischen hat die Stadt auch große, mit Erde gefüllte Container auf die Straße gestellt, um Geröll und Bäume aufzuhalten. Der Befestigung des Hangs dient das indes nicht. Laut Eckart Bauer kommen nur zwei Maßnahmen in Frage, um das Erdreich aufzuhalten. Eine Lösung könne eine Anschüttung unterhalb sein, was in der Panoramastraße der Bebauung wegen „nicht funktionieren wird“. Deshalb müsse zunächst die Last vom Hang genommen werden. Die ohnehin schon weit abgesackte Terrasse müsse vollständig abgetragen werden, um Druck von dem Gelände zu nehmen. Zudem werden laut einer Information der Polizei vom THW zusätzliche Drainagen in den Hang gelegt, um Wasser abzuleiten, und Folien ausgelegt, um ein weiteres Vollsaugen der Erde zu verhindern – zumal starke Regenfälle angekündigt sind.

Erste Sicherungsmaßnahmen eingeleitet

Die Stadt hat noch im Laufe des Mittwochs schon mal die Gabionenwand zum Teil abtragen lassen. Zudem sind am Mittwochnachmittag die hohen, nicht mehr standfesten Bäume gefällt und aus dem Hang gezogen worden. Spalten und Risse, die sich im Erdreich gebildet hätten, sollten verfüllt werden, heißt es in einer Mitteilung der Stadt weiter. Der Hang sei zwar weiterhin in Bewegung, aber unter Kontrolle. Die Stromversorgung war in dem Gebiet sicherheitshalber vorübergehend abgeschaltet worden. Laut einem Stadtsprecher ist eine Nachtbaustelle eingerichtet worden, um die Erde am Hang weiter zu verdichten. Über das weitere Vorgehen werde am Donnerstag beratschlagt, es hänge auch von den Wetterbedingungen ab. Bei anhaltendem Starkregen sei ein Abtragen der Last nicht möglich.

Laut der Verwaltung war der Bau genehmigt. Der Polizeisprecher Michael Schaal sagte, es werde gemeinsam mit der Staatsanwaltschaft geprüft, ob ein Sachverständiger in die Ermittlungen eingebunden werde. Der Schaden könne im Augenblick noch nicht beziffert werden, er bewege sich aber „mit Sicherheit im sechsstelligen Bereich“.