Im Streit um Anteile an den Stadtwerken Nürtingen ist ein Verfahren am Landgericht ausgesetzt worden. Jetzt geht es nur noch um den Preis.

Nürtingen - Die Stadt Nürtingen will weiterhin die Anteile der EnBW an den Stadtwerken Nürtingen (SWN) kaufen. Allerdings befasst sich derzeit nicht mehr das Landgericht Stuttgart mit dem Streit. Das Verfahren ist ausgesetzt, und beide Seiten versuchen sich gütlich zu einigen. „Momentan versucht man, sich auf einen gemeinsamen Gutachter zu einigen, der die Bewertung des Unternehmenswerts festlegt“, erklärt die Pressesprecherin des Nürtinger Rathauses, Bettina Bernhard.

 

Stadt fühlt sich von EnBW hintergangen

Vor Gericht landete der Streit im Oktober. Die Stadt Nürtingen hatte die EnBW-Tochter Netze BW auf Schadenersatz verklagt. Der Vorwurf: Das Unternehmen hätte im Jahr 2007 nicht einfach ihre 29-Prozent-Beteiligung an den SWN auf eine andere Konzerntochter – die EnBW Beteiligungsgesellschaft (EKB) – übertragen dürfen. Die Stadt als Hauptgesellschafterin fühlt sich hintergangen, weil die EnBW sie nicht in den Deal eingeweiht hatte.

Durch die konzerninterne Verschiebung, die erst im vergangenen Jahr zufällig ans Licht gekommen ist, sehen die Nürtinger das Vertrauensverhältnis zerstört. „Wir fühlen uns betrogen und nach Gutsherrenart massiv über den Tisch gezogen“, sagte der Nürtinger Oberbürgermeister Ende Oktober, als sich Vertreter beider Seiten am Landgericht gegenübersaßen. Bei dem Streit mit der EnBW treibt die Stadt die Sorge um, sie könnte eines Tages mit einer „Heuschrecke“ im Boot sitzen. Dies für den Fall, dass die EnBW ihre in der Konzerntochter EKB zusammengefassten Stadtwerkebeteiligungen an einen Finanzinvestor verkaufen würde. Die Stadt vermisst nach der EnBW-internen Verschiebung der SWN-Anteile eine sogenannte Change-of-Control-Klausel. Eine solche würde es Nürtingen erlauben, bei einem möglichen Verkauf von Anteilen durch die EnBW an Dritte ein Veto einzulegen.

Richter: „In einer Ehe die sichere Scheidung“

Der Konzern hätte im Jahr 2007 vor der internen Verlagerung der SWN-Anteile Nürtingen um Zustimmung bitten müssen, machten die Kläger vor Gericht deutlich. Vertreter der EnBW zeigten sich bestürzt über die Vorwürfe und verwiesen darauf, dass der Stadt und den Stadtwerken kein wirtschaftlicher Schaden entstanden sei. Gleichwohl fordert die Stadt als Schadenersatz, die 29 Prozent Anteile der EnBW an den SWN kaufen zu dürfen.

Ob das Geschäft zustande kommt, scheint nun eine Frage des Preises zu sein. Nürtingen taxiert den Wert der Anteile auf sieben Millionen Euro. Darüber gibt es offenbar Differenzen, die nun ein Gutachter ausräumen soll. Grundsätzlich sei man bereit, erklärt eine EnBW-Sprecherin, „den Wunsch der Stadt zu respektieren, die Energiewirtschaft alleine fortzuführen“. Im Oktober hatte der Richter Thomas Wetzel durchblicken lassen, dass die EnBW die schlechteren Karten habe und das Verhalten des Konzerns gerügt: „In einer Ehe würde das zur sicheren Scheidung führen.“