Vor dem Bürgerentscheid am 25. Juni bleiben die Fronten zwischen Befürwortern und Kritikern verhärtet. Wechselseitige Vorwürfe kennzeichnen einen Informationsabend in der Stadthalle.

Nürtingen - Gegenseitige Vorhaltungen haben einen Informationsabend zum bevorstehenden Bürgerentscheid geprägt. Während die Nürtinger Stadtverwaltung und der Gemeinderat am Beschluss zum Bau von zwei Flüchtlingsunterkünften in Reudern und in der Braike festhalten, lehnt die Bürgerinitiative Friedhöfe die Projekte ab. Nun liegt es an den Wahlberechtigten, ob sie am Sonntag, 25. Juni, den im Oktober gefassten Gemeinderatsbeschluss zur Anschlussunterbringung von Flüchtlingen kippen oder nicht.

 

In den Häusern sollen später Studenten und Senioren wohnen

Konkret geht es um den Bau von Unterkünften für bis zu 82 Menschen im Breiten Weg nahe des Waldfriedhofs im Braike-Viertel und um ein Gebäude für bis zu 48 Personen im Marbachweg neben dem Reuderner Friedhof. Dort sollen anerkannte Asylbewerber unterkommen, die auf dem privaten Wohnungsmarkt nicht fündig werden. Die Stadt ist gesetzlich verpflichtet, für diese Menschen kostengünstigen Wohnraum zur Verfügung zu stellen.

Die Gebäude sollen keinen „Barackencharakter“ haben, erklärte der Architekt Eckart Krüger. Wenn die Häuser einmal nicht mehr von Flüchtlingen belegt sind, sollen sie als sozialer Wohnungsbau von Studenten und Senioren genutzt werden.

Generell herrscht ein Mangel an Wohnraum

In Nürtingen ist laut der Planungsamtsleiterin Susanne Schreiber Wohnraum in allen Preissegmenten knapp. Allein für Flüchtlinge fehlen bis zum Jahr 2020 voraussichtlich 212 Plätze. Um diese zu schaffen, muss Nürtingen wie andere Kommunen auch aktiv werden. Das Ziel dabei ist eine dezentrale Unterbringung, um einer Ghettoisierung vorzubeugen und die Integration von Zugewanderten zu fördern. Alternative Standorte seien geprüft worden. In der Abwägung seien letztlich der Breite Weg und der Marbachweg übrig geblieben. Auch der Reuderner Ortschaftsrat und die Kirchen halten eine Bebauung nahe der Friedhofsmauer für vertretbar.

Bei der Versammlung in der Stadthalle wurden diffuse Ängste der einheimischen Bevölkerung gegenüber muslimischen Männern offenkundig. Er nehme diese Ängste ernst, sagte der Oberbürgermeister Otmar Heirich, warb aber gleichzeitig dafür, auf die Neubürger „mit dem Ziel einer guten Nachbarschaft offen zuzugehen“.

Bürgerinitiative befürchtet „Massenunterkünfte“

Die Bürgerinitiative lehnt die Pläne indessen ab. „Das gibt Massenunterkünfte“, betonte Wolfgang Menrad als Vertrauensperson der Initiative. Er bedauerte, dass es nicht gelungen sei, einen Kompromiss zu erzielen. Ein Gespräch Anfang Dezember mit Heirich unter Beteiligung der Fraktionsvorsitzenden sei „deprimierend“ verlaufen.

Dem hielt Otmar Heirich entgegen, dass die Initiative einen Kompromissvorschlag abgelehnt habe. Denn die Verwaltung sei durchaus zu einer reduzierten Bebauung bereit gewesen. Der Reuderner Ortsvorsteher Bernd Schwartz warf der Initiative vor, nach dem „St. Florians-Prinzip zu handeln“. „Mit dem Einreichen der Unterschriften ist die Möglichkeit eines Kompromisses verbaut worden“, so Schwartz.

Das Quorum liegt bei rund 20 Prozent der Wahlberechtigten

Um den Gemeinderatsbeschluss aufzuheben, müssten 20 Prozent der Wahlberechtigten, also rund 6300 Nürtinger, mit „Ja“ stimmen. Wird dieses Quorum verfehlt, hat der Beschluss zu den Wohnprojekten Bestand.