Der Petitionsausschuss des Landtags hört vor Ort Befürworter und Gegner des Projekts. Letztere befürchten Geruchsbelästigungen, mehr Verkehr und kritisieren den Landschaftsverbrauch. Über die Petition entscheiden soll das Parlament am 21. Mai.

Nürtingen - Im Tauziehen um die geplante Nürtinger Biogasanlage an der Markungsgrenze zur Nachbargemeinde Großbettlingen gehe es in der jetzigen Phase nicht darum, eine Vorentscheidung zu treffen. Das machte Karl Zimmermann (CDU) vom Petitionsausschuss des Landtags deutlich. Der Vororttermin am Dienstag in Nürtingen und Großbettlingen diente dem Austausch von Argumenten. Die Projektgegner erläuterten ihre Bedenken gegen die Anlage, während die Investorenseite ihre Sicht der Dinge schilderte.

 

Bereits im Jahr 2011 hatte sich der Landtag mit der ersten Petition zu dem Thema befasst. Die Eingabe zielte darauf ab, eine Ausnahmegenehmigung für das Projekt zu verhindern. Denn die Biogasanlage ist in einem geschützten regionalen Grünzug geplant. Allerdings kam der Landtag ebenso wie das Regierungspräsidium Stuttgart zu dem Ergebnis, dass eine solche Biogasanlage im Zuge der Energiewende an dem Standort grundsätzlich vorstellbar sei. Dieser Ausgang des Zielabweichungsverfahrens ersetzt indessen nicht das obligatorische Genehmigungsverfahren.

Bewohner befürchten Geruchsbelästigungen

Nun wollen die Projektgegner die Biogasanlage durch eine weitere Petition zu Fall bringen. In Großbettlingen befürchten die Menschen Geruchsbelästigungen und eine zusätzliche Verkehrsbelastung durch den Betrieb einer solchen Industrieanlage. Sie lehnen das Vorhaben auch deshalb ab, weil es die Landschaft verschandle. Mit Blick auf die Erholungsfunktion sagte Heike Gantke von der Bürgerinitiative gegen eine industrielle Speisereste-Vergärungsanlage am Standort ‚Großbettlinger Gatter‘ (BISS) bei einer Ortsbesichtigung in Richtung der Investoren und des Nürtinger Oberbürgermeisters Otmar Heirich: „Mein dringender Appell: lassen Sie es einfach.“

Während laut der Firma Refood von ihren Anlagen in der Regel kein Gestank ausgeht, verweist BISS auf Störfälle, etwa in einer Refood-Anlage bei Recklinghausen. „Wir haben die Probleme abgestellt“, erklärt dazu Holger Grund, der Geschäftsführer von Refood in Metzingen. Üble Gerüche befürchtet vor allem auch Gunter Henzler. Der Geschäftsführer des Rammerthofs verkauft circa 300 Meter vom Standort der geplanten Biogasanlage entfernt selbst angebautes Obst und Gemüse. Er habe die Sorge, dass ihm die Kunden davonlaufen könnten und sehe seinen Betrieb „in der Existenz gefährdet“. Der Großbettlinger Bürgermeister Martin Fritz äußerte „gewisse Zweifel“ an den Berechnungen des vorliegenden Gutachtens zu Geruchsimmissionen.

Die Nachfrage bei Landwirten nach Gärresten sinkt

Als Argument dient den Petenten auch die Verkehrsbelastung. Refood zufolge ist mit 100 Lastwagenfahrten täglich zu rechnen. Schließlich ist noch unklar, was mit den Gärresten geschieht, die beim Betrieb der Anlage anfallen. Ob sie in dem zunächst vorgesehenen Ausmaß als Dünger ausgebracht werden können, ist fraglich. Grund räumte ein, dass die Nachfrage bei Landwirten nach Gärresten gesunken sei. Man arbeite aber an einer Lösung. Wann die Investoren ein Baugesuch einreichen werden, ist noch offen. Otmar Heirich rechnet damit, dass sich das Genehmigungsverfahren danach noch einmal zwei Jahre hinzieht.

Karl Zimmermann zufolge wird der Petitionsausschuss voraussichtlich am 14. Mai über das Thema beraten und wohl auch eine Empfehlung an den Landtag geben. Eine Entscheidung könnte dann in der Plenarsitzung am 21. Mai fallen.

Das Verwaltungsgericht wies die Klage der Region ab

Kapazität
Die geplante Biogasanlage soll pro Jahr 45 000 Tonnen Biomasse in Energie umwandeln. Lebensmittelabfälle, die die Firma Refood im Umkreis von 150 Kilometern einsammelt, werden zerkleinert, erhitzt und vergärt. Dabei entsteht Biogas, das in Erdgasqualität in eine nahe gelegene Leitung eingespeist wird. Damit wollen die Stadtwerke Nürtingen bis zu 20 Prozent des Gasbedarfs der Stadt decken.

Standort
Die Biogasanlage benötigt 2,2 Hektar im Gewann Großbettlinger Gatter. Der erste Standort (siehe Grafik) lag im Wald und fand die Zustimmung der Region. Weil dort der geschützte Baumfalke zu Hause ist, schied die Fläche aber aus. Ein Areal auf der Kuppe lehnte die Region ab, auch nach einer Verschiebung hangabwärts bemängelte sie „erhebliche Beeinträchtigungen des Landschaftsbilds“. Im Februar 2013 wies das Verwaltungsgericht eine Klage der Region ab und bestätigte die Ausnahmegenehmigung des Regierungspräsidiums für die Biogasanlage.