Der Nürtinger Stadtteil gibt seinen Widerstand gegen die Abschaffung der unechten Teilortswahl auf. Die Auflösung des Bauhofs will die Ortschaft aber weiterhin nicht akzeptieren, sie hält an der Klage gegen die Stadt Nürtingen fest. Das Verwaltungsgericht gibt seine Entscheidung an diesem Donnerstag bekannt.

Stuttgart - Die Fronten bleiben auch am Ende der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart verhärtet. Die vor 40 Jahren eingemeindete Ortschaft Zizishausen will ihren Bauhof zurück und hält an der Klage gegen die Stadt Nürtingen fest. Der Gemeinderat dort hatte vor zwei Jahren im Rahmen der Haushaltskonsolidierung die Zentralisierung der Bauhöfe in der Kernstadt beschlossen. Seither kämpft der Ortschaftsrat hartnäckig um den Wiederbetrieb des örtlichen Bauhofs, der schon seit Monaten leer steht.

 

Zizishausen: Nürtingen verletzt Eingliederungsvertrag

Die Vorsitzende Richterin der siebten Kammer, Sylvia Thoren-Proske, nannte den Fall eine „heiße Kiste“, weil seine Bedeutung weit über die Grenzen Nürtingens hinaus gehe. Der Teilort beruft sich bei seiner Forderung auf den Eingliederungsvertrag aus dem Jahr 1974. Damals hatten die zuvor selbstständige Gemeinde Zizishausen und die Stadt Nürtingen unter anderem vereinbart, dass die Mitarbeiter des örtlichen Bauhofs weiterbeschäftigt und der Bauhof in Zizishausen erhalten würde. Aus der Sicht von Zizishausen ist die Auflösung des Bauhofs daher „vertragswidrig“.

Das sehen das Nürtinger Rathaus und der Anwalt der Stadt, Winfried Porsch, freilich ganz anders. Die damals getroffene Vereinbarung enthalte keine zeitliche Befristung. Da nun nicht davon auszugehen sei, dass die Bestimmung „für alle Ewigkeit“ gedacht gewesen sei, müsse es einen Auslegungsspielraum geben, argumentiert Porsch. Für ihn ist klar, dass sich die Bestandsgarantie nur auf die Beschäftigungsverhältnisse der damals drei in Zizishausen angestellten Bauhofmitarbeiter bezog. Weil diese längst im Ruhestand seien, sei der Bauhof nicht mehr unantastbar. Der Zizishausener Gemeinderat hätte seinerzeit bei einer solchen Einschränkung der Vereinbarung niemals zugestimmt, hält der Zizishausener Ortsvorsteher Siegfried Hauber im Gerichtssaal dagegen.

Regierungspräsidium sieht die Stadt im Recht

Die Stadt fordert, die Klage der widerspenstigen Ortschaft aus einem weiteren Grund abzulehnen. Porsch zufolge ist Zizishausen gar nicht prozessfähig, die Vertretungsbefugnis des Ortschaftsrates bei Streitigkeiten sei spätestens zehn Jahre nach der Eingliederung abgelaufen, meint der Jurist und beruft sich dabei auf den Staatsgerichtshof und den Verwaltungsgerichtshof in Mannheim.

Außerdem sei in der Gemeindeordnung festgelegt, dass die Rechtsaufsichtsbehörde die Einhaltung der Vertragsregelungen überwache. Das Regierungspräsidium Stuttgart war vor mehr als einem Jahr zu der Überzeugung gelangt, dass die Stadt Nürtingen mit ihren Beschlüssen zur Zentralisierung des Bauhofs und zur Abschaffung der unechten Teilortswahl „nicht vertragswidrig gehandelt“ habe.

Zizishausen hingegen bezieht sich auf das Verwaltungsgericht Freiburg. Dieses hatte vor zehn Jahren einem eingemeindeten Teilort Recht gegeben, der sich gegen die Auflösung der Teilortsfeuerwehr gewehrt hatte. In dem Urteil sei festgestellt worden, dass ehemalige Gemeinden trotz ihrer Auflösung sehr wohl befugt seien, Rechte in einem Gerichtsverfahren geltend zu machen, betont Siegfried Hauber.

Ein Fall für die nächste Instanz?

Es handle sich hierbei um ein „schwieriges Problem“, sagt die Richterin Sylvia Thoren-Proske, die für diesen Donnerstag eine Entscheidung ankündigt. Egal wie diese ausfällt – Winfried Porsch bittet wegen der Tragweite und der Bedeutung des Falls, eine Berufung zuzulassen. In der nächsten Instanz könnte sich der Verwaltungsgerichtshof mit dem Thema befassen.

Während Zizishausen beim Thema Bauhof eisern bleibt, gibt der Stadtteil in einem anderen Punkt auf. Der Eingliederungsvertrag sichert Zizishausen mindestens drei Sitze im Gemeinderat zu. Da dies aber nur über die unechte Teilortswahl möglich ist und die Abkehr von diesem Wahlmodus rechtens ist, hätte ein weiterer Widerstand keine Aussicht auf Erfolg gehabt. Das hatte die Kammer deutlich durchblicken lassen.

40 Jahre Gebietsreform – vom Zankapfel zum Erfolgsmodell

Anlass
: Mehrere Bundesländer leiteten von Mitte der 1960er-Jahre an umfassende Verwaltungsreformen ein. Zunehmend komplexer werdende überörtliche Aufgaben, wie bei der Abfallbeseitigung, im Verkehrswesen oder bei der Krankenhausversorgung, hatten zu einem wachsenden Reformdruck geführt. In Baden-Württemberg wurden die Gebiets- und die Kreisreform von 1968 bis 1975 verwirklicht. Das Ziel war es, leistungsfähigere Gemeinden und Landkreise zu schaffen. Durch die Reform entstanden größere Einheiten. Fast alle Landkreise bekamen einen neuen Zuschnitt. Bis dahin selbstständige kleine Gemeinden schlossen sich Städten an, vor allem um die Lasten für die Infrastruktur wie Kindergärten, Schulen, Sportstätten oder Straßen schultern zu können.

Verträge:
In kleineren Gemeinden herrschte anfangs auch verbreitet Skepsis vor, inzwischen gilt die Gebietsreform in Baden-Württemberg als Erfolgsmodell. Für die Aufgabe ihrer Selbstständigkeit erhielten Ortschaften vertraglich abgesicherte Gegenleistungen. Dazu zählten erhebliche Investitionshilfen, etwa für neue Gemeindehallen. Nicht weniger wichtig waren Bestandsgarantien, wie beispielsweise die Erhaltung von Schulen. Solche Vereinbarungen gelten jedoch nicht automatisch „für alle Ewigkeit“, wie Norbert Brugger vom Städtetag erklärt. Er verweist auf die bisherige Rechtsprechung. Danach müsse im Einzelfall geprüft werden, ob sich Bedingungen geändert haben und ob eine Aufrechterhaltung von Einrichtungen finanziell noch zumutbar ist.

Teilortswahl:
Zu den Bestandsgarantien zählte auch die unechte Teilortswahl. Der Modus garantierte eingemeindeten Ortschaften eine bestimmte Zahl von Sitzen im Stadtparlament. Auch die Teilortswahl ist nicht fest zementiert, selbst wenn sie in Eingliederungsverträgen auf unbestimmte Zeit vereinbart wurde. Laut der Gemeindeordnung kann sie durch eine Änderung der Hauptsatzung aufgehoben werden – frühestens zur übernächsten Wahl der Gemeinderäte nach ihrer erstmaligen Anwendung. Diese Fristen sind längst abgelaufen. Die unechte Teilortswahl ist vielerorts abgeschafft worden. Ein Kritikpunkt war, dass Kandidaten aus kleineren Teilorten weniger Stimmen benötigten, um in den Gemeinderat zu kommen, als Bewerber aus größeren Orten.