Kevin Kugel, der deutsche Meister der Chocolatiers, eröffnet mit seinem Kollegen Felix Noller ein Ladencafé – und das nicht in der Großstadt, sondern in ihrem Heimatdorf, der 5000-Einwohner-Kommune Nufringen.

Nufringen - Wenn man die Tür des von außen unscheinbaren Ladens in der Nufringer Hauptstraße 39 öffnet, vergisst man, dass man sich gerade in einem 5000-Einwohner-Dorf befindet. Die neue Chocolaterie, die diese Woche eröffnet wurde, könnte auch in Köln, Zürich oder Brüssel stehen. Ein Hauch von mondäner Großstadt weht durch das edle Ladencafé mit angeschlossener Manufaktur, in der die beiden Inhaber Felix Noller und Kevin Kugel vor den Augen ihrer Kunden aus weißer und dunkler Schokolade Ostereier gießen, Whiskey-Trüffel rollen und im Shaker Schokolade und Luft zu einer lockeren Luftschokolade vermengen. Ein Freund hat für sie ganz spezielle Werkzeuge entwickelt. Prunkstück ist eine Airbrush-Anlage, mit der die Schokoladenfiguren auf Hochglanz getrimmt werden.

 

Die Nufringer stürmen den Laden

Für Schokoladenfans haben Noller und Kugel einiges im Angebot. Foto: FACTUM-WEISE
Lange bevor die beiden Chocolatiers ihren Laden eröffneten, drückten sich die Kinder des örtlichen Kindergartens täglich die Nasen an der Schaufensterscheibe platt, versuchten durch eine Lücke der abgehängten Scheiben einen Blick auf die Konditoren zu erhaschen, die wochenlang in ihrer Schokowerkstatt Unmengen von Osterhasen und -hühnchen produzierten. Doch die Bestände schmolzen schon in den ersten Tagen wie Schokolade, die zu warm gelagert wird. Die Nufringer stürmten den neuen Laden förmlich. Und nicht nur die Kindergartenkinder standen gleich am ersten Tag auf der Matte – mit selbst gemalten Bildern als Präsente zum Start. „Wir kommen mit dem Produzieren nicht nach, zumal wir ja noch die Kunden bedienen müssen“, sagt Kevin Kugel. Sein Ruhm reicht weit über seinen kleinen Heimatort hinaus: Im vergangenen Jahr wurde er in Köln Deutscher Meister der Chocolatiers. Im Herbst schaffte er es bei der Weltmeisterschaft in Paris auf Platz sieben. Zuletzt arbeitete er bei einem Konditor in Köln.

Und nun also Nufringen. Gibt es hier genug Kunden? Wären Stuttgart oder zumindest Böblingen nicht geeignetere Standorte? „Das haben wir uns auch überlegt“, sagt Felix Noller, „aber in der Stadt sind die Mieten viel höher als hier.“ Der Laden, den die beiden Konditoren nun angemietet haben, stand mehr als ein Jahr leer – und liegt praktischerweise genau gegenüber der elterlichen Bäckerei Noller. „Seit 127 Jahren sind wir hier in Nufringen Bäcker“, sagt der 28-Jährige stolz. Keine Frage sei es für ihn gewesen, diese Tradition fortzuführen. Zunächst lernte er Konditor, zu dem auch die Kunst des Pralinenmachens gehört, und absolvierte noch eine Lehre zum Bäcker.

Kugel und Noller kennen sich seit dem ersten Schultag, kickten die Jugend hindurch zusammen beim SV Nufringen. Und als dann auch Kevin nach der mittleren Reife, statt ins Fliesengeschäft des Vaters einzusteigen, zunächst Koch und dann noch Konditor lernte, da war klar, „dass wir irgendwann mal zusammen einen Laden aufmachen“, erzählt Noller. Er hat seinem Freund im vergangenen Jahr bei dessen Vorbereitungen auf die Weltmeisterschaft beigestanden, war mit dabei in Paris.

Der Titel Deutscher Meister als Türöffner bei Hoteliers

Für den süßen Zahn wird einiges geboten. Foto: FACTUM-WEISE
Der Ruhm Kugels sind das Kapital der Jungunternehmer, der Titel Deutscher Meister ein Türöffner, wenn sie bei Hotels, Restaurants und Unternehmen anklopfen und sich vorstellen. Denn eines ist den beiden Chocolatiers klar: „Nur von der Laufkundschaft in Nufringen können wir nicht leben.“ Ihr Hauptgeschäft ist die Belieferung von guten Gastronomiebetrieben mit ihren handgemachten Pralinen und Trüffeln. Auch Modehäuser und Shoppingmalls können die Konditoren für spezielle Events ordern. Zudem bieten sie ihre Produkte in einem Online-Shop an. Und demnächst soll es in ihrer Werkstatt auch Workshops geben, bei denen interessierte Laien lernen, Pralinen zu rollen. „Wir glauben, dass wir mit mehreren Standbeinen am ehesten Erfolg haben“, sagt Kugel. Und stolz erzählt er von seinem renommiertesten Kunden: „Wir beliefern den 1. FC Köln für seine VIP-Lounge mit Pralinen.“

Und so ist den Firmengründern vor der Zukunft nicht bang, sie sprühen vor Ideen. Gleich nach Ostern soll es in ihrer Werkstatt, in der wegen der Schokoladenmasse stets 18 bis 20 Grad Raumtemperatur herrschen, mit der Produktion von Muttertagsherzen losgehen. Im Herbst wird es schaurige Halloween-Schokolade geben, und vor Weihnachten kreieren die Chocolatiers Nikoläuse und Engel. Selbst für den Sommer, wenn es für Schokolade zu heiß sein wird, haben sie bereits eine Geschäftsidee: „Dann machen wir den Laden zur Eisdiele. So etwas fehlt bisher noch im Dorf.“