Ein Festival braucht Stars, sonst kann es einpacken. Für sie ist der rote Teppich Werbung und immer auch harte Arbeit.

Berlin - Shah Rukh Khan hat Schnupfen. Das ist eine Nachricht, die prinzipiell etwa eine Milliarde Menschen interessiert. Kein lebender Schauspieler hat mehr Fans als der indische Bollywoodstar mit den Samtaugen. Dagegen ist Brad Pitt ungefähr so populär wie Heidi Kabel.

 

Für die Berlinale ist der Schnupfen keine gute Sache, weil er einen Transkontinentalflug unangenehm und fraglich macht. Aber Herr Khan wird gebraucht. Sein Film „Don – The King is back“ ist am Samstag als großes „Special“ im Programm. Das „Special“ ist eine ganz eigene Kategorie: Hier laufen Filme, die niemals einen Bären gewinnen, weil sie gar nicht am offiziellen Wettbewerb teilnehmen. Dafür kommen sie aber meistens gleich nach der Berlinale ins Kino. Eine andere Festivalprogramm-Variante lautet „im Wettbewerb, aber außer Konkurrenz“, will heißen: kriegt nie einen Preis, dafür aber einen sehr fetten roten Teppichauftritt und also viele schicke Bilder in den Zeitungen kurz vor dem offiziellen Filmstart. Eine super Werbung. In dieser Kategorie lief am Freitag zum Beispiel das 9/11-Drama „Extremely loud and incredibly close“ mit Sandra Bullock und Tom Hanks. Die Sondervorstellungen sind die Werkzeuge, die sich der Berlinale-Chef Dieter Kosslick gebaut hat, um seinem Festival zu geben, was es braucht: Stars.

Stars sind mehr als die Kirsche im Cocktail

Filmgestalten wie Shah Rukh Khan oder Meryl Streep sind mehr als die Kirsche im Cocktail. Ihre An- oder Abwesenheit entscheidet über den Erfolg eines Festivals, da mögen die gezeigten Filme noch so herzergreifend, witzig, spannend sein. Sind die Megastars da, ergießt sich eine Bilderflut von Berlin aus in die Welt. Sind sie nicht da, laufen zwar in den Kinos am Potsdamer Platz genau die gleichen Filme. Es interessiert aber nicht.

Daraus könnte nun eine kulturpessimistische Betrachtung werden. Vor allem, wenn man bedenkt, dass der ganze Partyzauber, der immer so leicht und lustig und luxurierend aussieht, für alle Beteiligten Arbeit ist. Diane Kruger, die am Donnerstag zur Eröffnung über den Teppich ging, zitterte nach eigenem Bekunden nicht nur der Eiseskälte wegen. Ihre Nervosität sei die reine Qual, sagte sie. Berühmt sein macht nicht immer Spaß.

Und Angelina Jolie, die seit Mittwoch in Berlin ist, weil sie in einem „Special“ ihr Regiedebüt „In the Land of Blood and Honey“ vorstellt, hat jetzt Erstaunliches erzählt: Sie sei „gar kein schillernder Star“. Die Frau, die stets ordentlich frisiert auf den Galas dieser Welt ihren Liebsten küsst und für die bisweilen ganze Straßenzüge abgesperrt werden müssen, sagte dem Stadtmagazin „tip“: „Ich gehe über rote Teppiche, um eine Premiere zu feiern, das gehört zum Job. Den Rest projizieren die Medien.“ Manchmal wünscht man sich also auch als „Sexiest Woman alive“, man könnte einfach unterhalb des Radars fliegen.

Angelina Jolie hat zudem offenbar die Sorge, sie werde nicht ihrer Kunst, sondern allein ihrer Gestalt wegen wahrgenommen. Weil sie weder Projektion noch Protektion wollte, hat sie das Drehbuch ihres Bosnien-Dramas angeblich erst mal unter falschem Namen an ein paar Produzenten geben lassen. Bei der Festivaleröffnung jedenfalls fehlte Jolie auf dem roten Teppich. „Ein echter Star zeigt sich nicht vor der eigenen Premiere“, sagte dazu eine erfahrende Festivalorganisatorin.

Über diese Einschätzung dürfte sich der halbe deutsche Film freuen, der in etlichen Festivalbeiträgen auftritt und natürlich bibbernd in schulterfreien Flatterkreationen zur Eröffnung kam. Übrigens nicht ohne alpines Überlebenswerkzeug. Karoline Herfurth zum Beispiel trug Thermounterwäsche unterm Paillettenkleid. Von anderen Leuten will man lieber gar nicht genau wissen, was sie so für Ideen hatten.

Thermounterwäsche unterm Paillettenkleid

Der rekonvaleszente Herr Khan jedenfalls zieht sich hoffentlich warm an, wenn er am Samstag in Berlin eintrifft. Seine Fans erwarten ihn. Vor dem Hotel am Gendarmenmarkt, in dem der Superstar logieren wird, stand schon am Donnerstag Anja, Studentin aus der Nähe von Bremen, in Daunenjacke und Fan-Shirt verpackt. Als sie von der Erkrankung hörte, schüttelte sie ungläubig den Kopf: „Er würde uns nie im Stich lassen.“ Warum? „Das ist doch sein Job, und er ist ein Profi.“