Der CDU-Kreischef Stefan Kaufmann steht bei der Kandidatensuche für die OB-Wahl vor seiner ersten großen Bewährungsprobe.

Stuttgart - Bei den Christdemokraten in Stuttgart ist es guter Brauch, dass immer im Januar etliche Ortsverbände in den einzelnen Stadtbezirken gesondert zu Jahresempfängen laden. Unabhängig von der Qualität der Gastredner ist diesmal Gesprächsstoff garantiert: Nach dem Rückzug von Amtsinhaber Wolfgang Schuster (CDU) dreht sich alles um die Frage, wen die Union bei der OB-Wahl im Oktober ins Rennen schicken könnte. Die Bewerbersuche werde jetzt verstärkt vorangetrieben, versichert der CDU-Kreischef und Bundestagsabgeordnete Stefan Kaufmann auf Anfrage, der für Samstag die parteiinterne Findungskommission einberufen hat.

 

Eben Kaufmann hat dieser Tage allerdings „gewisse Irritationen“ ausgelöst, wie ein einfaches CDU-Mitglied moniert. In einem Schreiben an alle 3200 Parteigänger in der Landeshauptstadt, das der Stuttgarter Zeitung vorliegt, hat der seit Mai 2011 amtierende Unionschef sich an die Basis gewandt. Um die Wahl gewinnen zu können, formuliert er, brauche es jemanden „mit Strahlkraft über CDU und das bürgerliche Lager hinaus“. Dies vor allem, weil „sich Grün-Rot diesmal kaum die Blöße geben wird, in einem möglichen zweiten Wahlgang erneut ohne Absprache zu agieren“. Bei der Kandidatenfindung sei die Parteispitze auf die Mitwirkung der Mitglieder angewiesen: „Bitte nennen Sie mir zeitnah Namen von aus Ihrer Sicht geeigneten Kandidatinnen und Kandidaten“, heißt es in dem Brief.

Mutmaßungen über „Ratlosigkeit“ der Führung

Manches Urgestein der Stuttgarter Christdemokratie erkennt darin schon eine „Ratlosigkeit“ der Führung. Für Kaufmann selbst ist der Appell ein normaler Vorgang: Es gehe darum, die Partei in dieser so wichtigen Frage einzubinden.

Fest steht: einen geborenen Kandidaten gibt es nicht. Und vor allem zwei Namen werden zurzeit hartnäckig gehandelt: erstens jener von Susanne Eisenmann, der Kultur- und Sportbürgermeisterin, die bestens vernetzt ist in Stuttgart und sich bei früheren Kommunalwahlen auch schon als Stimmenkönigin profilierte. Ihr Nachteil: ihre Partei hat ihr erst im vergangenen Jahr in einer Kampfabstimmung um den Kreisvorsitz eine Niederlage beschert und stattdessen Stefan Kaufmann gewählt. Unter Parteifreunden wird zudem kolportiert, Kaufmann sei auch jetzt wenig begeistert über Eisenmanns Ambitionen. Und zweitens: jener von Andreas Renner , der vor allem bei der Jungen Union Sympathien genießt. Als OB von Singen hat der gebürtige Stockacher bereits ein Rathaus geführt, allerdings gilt der frühere Sozialminister und heutige EnBW-Repräsentant manchen als unkalkulierbar. Despektierliche Äußerungen über das Sexualverhalten von Geistlichen haben ihn einst das Amt gekostet. Zudem liebäugelt Renner mit einer Bewerbung in Konstanz, wo das Stadtoberhaupt ebenfalls im Herbst neu gewählt wird. Viele im Kreisverband wünschen sich ohnehin lieber „einen Bewerber mit Stuttgarter Stallgeruch“, so ein Parteimitglied.

Basis wünscht „Stuttgarter Stallgeruch

Aber das Portfolio an möglichen Aspiranten ist größer. Joachim Pfeiffer wird immer wieder genannt, der Waiblinger Bundestagsabgeordnete und frühere Stuttgarter Wirtschaftsförderer, der allerdings über ein ausgesprochen konservatives Profil verfügt. Großes Eigeninteresse wird nach wie vor dem Sindelfinger Oberbürgermeister Bernd Vöhringer, aber auch dem Backnanger Rathauschef Frank Nopper nachgesagt. An der Parteibasis stößt deren allzu offensichtlicher Ehrgeiz aber auf Befremden. Auch der Ex-Staatssekretär Dietrich Birk bleibt im Gespräch, wobei ihm der Malus eines Mappus-Zöglings anhaftet. Und Richard Arnold, der OB von Schwäbisch Gmünd und frühere Vertreter des Landes in Brüssel, brächte zwar gute Voraussetzungen mit, kommt aber aus persönlichen Gründen wohl nicht infrage.

Genährt wird hingegen die Spekulation, der Kreisvorsitzende Kaufmann könnte alsbald einen „großen Unbekannten aus dem Hut zaubern“, der die Herzen der Partei im Sturm erobert. Bei alledem ist es kein Zufall, dass in der CDU so viele potenzielle Bewerber gestreut werden. Denn der Basis ist es wichtig, „eine Auswahl zu haben“, wie zu hören ist. Und eben an diesem Punkt entzündet sich Kritik an dem von Kaufmann brieflich vorgeschlagenen Prozedere. Zwar sind Namensvorschläge erwünscht, aus denen die Findungskommission Kandidaten auswählen soll. Der Kreisvorstand aber hätte gerne das letzte Wort, um den Mitgliedern bei einem Parteitag am 17. März einen Personalvorschlag zur Abstimmung zu unterbreiten. „Das ist mit uns nicht zu machen“, kommentiert ein CDU-Bezirkschef. Er erinnert an Beschlüsse, mehr innere Demokratie zu wagen.

Basis legt Wert auf Auswahl

Deutlich wird an den Debatten, wie viel für die CDU auf dem Spiel steht. Nachdem sie die Macht im Land abgeben musste, soll das größte Rathaus von Baden-Württemberg unbedingt gehalten werden. Entsprechend hoch sind die Erwartungen an den Kreischef, der vor seiner ersten großen Bewährungsprobe steht. Seit 1974 stellte die CDU in Stuttgart den OB. Doch speziell in Großstädten hat es die Partei inzwischen schwer. Dennoch verbreitet Stefan Kaufmann Optimismus: Er sei „trotz der nicht ganz einfachen Ausgangslage sehr zuversichtlich, dass wir die OB-Wahl gewinnen“, schreibt er an die Mitglieder: Die Gegenseite werde sich nämlich „extrem schwertun, einen geeigneten Kandidaten zu finden“.