Der Stimmzettel für die Göppinger OB-Wahl füllt sich allmählich. Die Sozialdemokraten schicken einen abgewählten Bürgermeister, die Grünen ihren Fraktionschef und die Linke ihren Kreisvorsitzenden ins Rennen.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Göppingen - Ein ehemaliger Bürgermeister aus Norddeutschland und zwei aktive Göppinger Stadträte wollen Oberbürgermeister Guido Till (parteilos) bei der Wahl am 14. Oktober ablösen. Gestern gaben der Linke-Stadtrat Christian Stähle und der SPD-Mann Stefan Sünwoldt aus Kaltenkirchen bei Hamburg ihre Unterlagen im Rathaus ab. Am Wochenende hatte auch der Chef der grünen Gemeinderatsfraktion, Christoph Weber, seine Kandidatur angekündigt. Damit werden nach dem gegenwärtigen Stand sechs Männer auf dem Wahlzettel zur OB-Wahl stehen. In der vergangenen Woche hatten bereits Stefan Klotz von der Piratenpartei und der Dauerkandidat Hartmut Hering ihre Bewerbungsunterlagen eingereicht.

 

„Ich bin von vielen Seiten immer wieder angesprochen worden. Die Göppinger wollen Alternativen bei der Wahl“, sagte Weber. Diese Alternativen haben sie jetzt. Zunächst hatte es danach ausgesehen, als würden sich SPD und Grüne auf einen gemeinsamen Gegenkandidaten für Guido Till einigen. Dieses Vorhaben wurde jetzt aber auf einen etwaigen zweiten Wahlgang vertagt. „Wir werden uns dann auf jeden Fall zusammensetzen“, sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende Armin Roos.

SPD unterstützt Sünwoldt

Bereits am Freitagabend hatte die SPD unter Ausschluss der Öffentlichkeit beschlossen, den Juristen Stefan Sünwoldt im Wahlkampf zu unterstützen. Der 51-Jährige, der verheiratet ist und drei Kinder im Alter von acht bis 16 Jahren hat, arbeitete zwölf Jahre lang in leitenden Positionen beim Regierungspräsidium in Halle an der Saale und war von 2005 bis 2011 Bürgermeister der 20 000 Einwohner zählenden Stadt Kaltenkirchen in Schleswig-Holstein.

Anders als der Bad Cannstatter Bezirksvorsteher Thomas Jakob (CDU), mit dem Roos zunächst über eine Kandidatur gesprochen hatte, besitzt Sünwoldt das passende Parteibuch. Allerdings musste der Mann aus dem hohen Norden dem Vernehmen nach bei der Versammlung am Freitag kritische Fragen zu seinem Lebenslauf beantworten. Sünwoldt war im Mai des vergangenen Jahres in einem bis dahin landesweit einmaligen Vorgang vorzeitig abgewählt worden. 65 Prozent stimmten gegen ihn. Trotz dieser Schlappe trat Sünwoldt zur Neuwahl an und erreichte 19 Prozent. Später hatte er Nachfolger des ebenfalls abgewählten Duisburger Oberbürgermeisters Adolf Sauerland (CDU) werden wollen. Als ihn die dortige SPD nicht unterstützte, drohte er mit seinem Parteiaustritt. Diesen habe er aber nie vollzogen, sagte Sünwoldt und bat um Verständnis. Das Abwahlverfahren in Kaltenkirchen, bei dem viel schmutzige Wäsche gewaschen worden sei, habe ihn emotional aus der Bahn geworfen.

Erklärung für den Betriebsunfall

Für die Göppinger SPD reichten die Erklärungen aus. Eine solche Abwahl sei nie schön, sagte Roos. Andererseits sei die Wahlbeteiligung mit 37 Prozent sehr niedrig gewesen. Zudem dürften die Querelen auf die streng konservative Struktur des Ortes zurückzuführen gewesen sein. „Er war der erste SPD-Mann in diesem Amt.“ In Göppingen seien die Verhältnisse ganz andere. Brüche in der Biografie müssten auch nicht unbedingt ein Hindernis darstellen. „Das sehen wir ja am Amtsinhaber.“ Till war als Sozialdezernent in Wittenberg nicht wiedergewählt worden. Als Geschäftsführer des Expo-Vorzeigeprojekts Ferropolis wurde ihm gekündigt.

Christoph Weber betonte, seine Kandidatur habe nichts mit der SPD-Festlegung zu tun. „Die Entscheidung, meine Erfahrungen, die ich vor Ort gemacht habe, einzubringen“, sei in den vergangenen Wochen gereift. Der gebürtige Heidelberger ist verheiratet, hat drei Kinder im Alter von acht bis zwölf Jahren und wurde 2004 erstmals in den Göppinger Gemeinderat gewählt. Seither führt er die Fraktion. Hauptberuflich arbeitet der 52-Jährige als Chemiker bei der Göppinger Außenstelle des Regierungspräsidiums und berät Industriebetriebe bei der Umsetzung von Umweltschutzmaßnahmen. Er wünsche sich einen respektvollen Umgang mit den Mitarbeitern der Stadtverwaltung und wolle im Hinblick auf das drohende Verschwinden des Hotels Apostel eine Alternative zur „Politik der Abrissbirne“ liefern, sagte Weber, der in der katholischen Kirche sozialisiert wurde und bis in die 90er Jahre hinein sogar der CDU angehörte.

Auch Christian Stähle will es wissen

Ob er deshalb Wahlchancen in konservativeren Kreisen besitzt, bleibt abzuwarten. Für Christian Stähle dürfte dies hingegen klar zu verneinen sein, obgleich auch er einen christlichen Hintergrund besitzt. Der 53-jährige Diplom-Theologe ist in Göppingen als Sohn eines Fahrradhändlers aufgewachsen, geschieden und arbeitet als Schulpsychologe an einer Stuttgarter Privatschule. Seit seinem Einzug in den Göppinger Gemeinderat vor drei Jahren lässt der Kreisvorsitzende der Linkspartei nichts unversucht, um den OB und die übrigen Stadträte zu reizen. Unzählige Dienstaufsichtsbeschwerden hat er gegen Till bereits beim Regierungspräsidium eingereicht. Durchschlagender Erfolg war ihm damit allerdings nicht beschieden.

Auch im Wahlkampf ist von Stähle einiges zu erwarten, den er so führen wird, als hätte er eine echte Chance. „Die Wahlplakate werden gerade in Berlin gedruckt.“ Inhaltlich wolle er sich unter anderem für ein kostenloses Mittagessen in den Kindertagesstätten einsetzen, mehr Bürgerbeteiligung vor allem bei Großprojekten installieren und das Mobbing an der Rathausspitze beenden. „Als Oberbürgermeister würde ich sicherlich nicht mehr so radikal auftreten“, verspricht Stähle. Ob die Zahl der Dienstaufsichtsbeschwerden dann abnimmt oder ob sie nur von der anderen Seite kommen, ist ungewiss.