Chefredaktion : Holger Gayer (hog)


Dann lassen Sie uns über die Dinge in Stuttgart reden, die Ihnen weniger gut gefallen.
Da brauche ich nur runterzuschauen. Wir sitzen hier prächtig auf der Karlshöhe und haben einen freien Blick, aber im Kessel ist die Stadt oft verstopft, und die Menschen leiden unter dem Feinstaub.

Ein grünes Lieblingsthema. Winfried Kretschmann hat sich ja kurz nach seinem Amtsantritt mit seiner Rede vom „pornografischen Porsche“ etwas vergaloppiert.
Na, das hat er doch inzwischen erläutert. Ich bin kein Autogegner, seit ich 18 bin, fahre ich schließlich eines. Aber ich will, dass weniger Autos in den Stuttgarter Kessel fahren. Und wenn, dann sollen sie einen anderen Antrieb haben. Das Auto muss sich verändern – und es muss anders genutzt werden. In Zukunft werden viel mehr junge Leute gar kein Auto mehr besitzen, sondern mit der Stadtbahn oder dem Rad fahren – und wenn sie doch eines brauchen, gehen sie zu einem Carsharing-Anbieter.

Das wird bei Herstellern von Oberklassefahrzeugen wohl nicht so gut ankommen.
Jetzt zeichnen Sie doch nicht längst verblasste Feindbilder nach! Wir müssen den Wandel hinbekommen von Automobilherstellern hin zu Mobilitätsherstellern. Dass wir Mobilität künftig besser vernetzen müssen und diese Dienstleistung in Stuttgart anbieten, das weiß der Daimler übrigens längst selbst.

Wie groß muss die Parklücke eigentlich sein, in die Ihr eigenes Auto passt?
Klein. Wir hatten früher für meine Frau, meine beiden Söhne und mich immer ein großes Familienauto. Damit wir dann einmal im Jahr im Italienurlaub die Koffer nebeneinander stellen konnten. Inzwischen ist uns klar geworden, wie absurd das in einer Großstadt wie Berlin ist. Also haben wir uns ein kleineres Auto gekauft. Und für die zwei, drei Wochen Urlaub im Jahr leihen wir uns ein größeres Auto.

Sie treten ja in Stuttgart als Mitglied einer Partei an, die mal fünf Mark pro Liter Benzin gefordert hat.
Bei dem Thema haben wir Grünen eine harte Lektion gelernt. Als Politiker musst du Konflikte und Fragestellungen vom Ende her lesen. Das gilt auch für den Feinstaub: Welche Konflikte entstehen, wenn man ihn in einer Autostadt wie Stuttgart bekämpfen will? Welche Verbündete hast du? Es ist doch völlig klar, dass man das von Anfang an mit den Automobilherstellern entwickeln muss – und nicht gegen sie.

Den Wahlkampf führen Sie jedoch meist mit Stadtbahnunterstützung – uns fällt auf, dass die Stadtbahn kandidatenübergreifend das beliebteste Wahlkampfmobil ist.
Ja, weil man in der Stadtbahn nie im Stau steht und mit den Leuten leicht ins Gespräch kommt. Da geht es dann um Stuttgart 21, um die Eurokrise, darum wie die Leute ihr Geld anlegen sollen . . .

. . . darum müssten Sie sich also auch kümmern als OB. Ihnen wurde vorgeworfen, dass Sie Politik mehr aus Konzeptpapieren heraus betreiben als aus Bürgerbegegnungen.
Das ist doch Quatsch. Ich bin ein ganz praktischer Mensch. Das hat auch damit zu tun, dass ich viel zu Fuß unterwegs bin und meine Schlüsse aus Beobachtungen und Gesprächen ziehe.