Die Ankündigung des SÖS-Kandidaten Hannes Rockenbauch, Stuttgart 21 zu beenden, falls er siegen würde, ärgert die Konkurrenz. Sie werfen ihm vor, den Gemeinderat übergehen zu wollen.

Stuttgart - Der OB-Kandidat von Stuttgart, ökologisch, sozial (SÖS), Hannes Rockenbauch, sieht ausweislich seiner im Wahlkampf verteilten „Nachdenkzettel“ „eine Reihe von Ansatzpunkten, Stuttgart 21 gemeinsam zu verhindern“. Unter anderem schreibt er, im Falle seiner Wahl könnten alle Verträge auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft werden. Er sagt zu, die Stadt würde alle Bürger unterstützen, deren Grundstücke unterfahren würden, außerdem die Mitgliedschaften im Kommunikationsbüro und im Turmforum zu kündigen und die Werbeausstellung im Rathaus abzubauen. Ferner würde er dem Gemeinderat einen Bürgerentscheid über Mehrkosten bei S 21 vorschlagen und die Aussetzung aller Zahlen anordnen.

 

Die politische Konkurrenz hat Rockenbauch wegen dieser Zusagen kritisiert. Man komme zum Schluss, „dass er die Macht des Gemeinderats beschneiden wolle“, erklärte die Grünen-Fraktionschefin Silvia Fischer. Bisher habe sich Rockenbauch, Vorsitzender der Fraktionsgemeinschaft SÖS/Linke, „immer für eine Stärkung des Gemeinderats ausgesprochen und dem amtierenden OB öfter – und oft zu Recht – vorgeworfen“, dass er den Gemeinderat übergehe. Jetzt wolle er Wolfgang Schuster offenbar nacheifern, indem er verspreche, „als OB Anordnungen zu erteilen und haushaltsrelevante Beschlüsse am Gemeinderat vorbei einzukassieren“, obwohl dieses Gremium bei den genannten Themen zu beteiligen sei.

Grüne: In einer Demokratie zählen Mehrheiten

Es sei bedauerlich, „dass Rockenbauch seine bisherige Auffassung eines starken Gemeinderats aufgegeben hat“, sagt der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Peter Pätzold. Er erinnert den OB-Kandidaten von SÖS daran, dass es im Gemeinderat eine Mehrheit für Stuttgart 21 gebe, „auch wenn das nicht vernünftig ist“.

Die Stadtverwaltung stellt klar, dass eine vom OB angeordnete Prüfung der S-21-Verträge den mit klarer Mehrheit (CDU, SPD, FDP, Freie Wähler, OB Schuster) gefassten Gemeinderatsbeschlüssen widersprechen würde. Das Stadtoberhaupt bräuchte auf jeden Fall den Segen des Gremiums. Auch die Entscheidung des Gemeinderats aus dem Jahr 2007, gegenüber der Bahn auf 212 Millionen Euro Verzugszinsen zu verzichten, könnte Rockenbauch als Oberbürgermeister nicht einfach zurücknehmen. Die Verwaltung verweist auch in diesem Fall auf die Gemeindeordnung, die dem Bürgermeister die Aufgaben zuweist, die Sitzungen vorzubereiten und die Beschlüsse zu vollziehen.

Verwaltung warnt vor Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz

Es sei auch nicht denkbar, die von der Unterfahrung betroffenen Bürger juristisch zu unterstützen. Dies sei keine Aufgabe der Stadt, außerdem stellte dies einen Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz dar. Das Ansinnen sei „zudem widersinnig, weil alle von einem Enteignungsverfahren betroffenen Bürger in der Regel die Kosten für eine anwaltliche Begleitung erstattet bekommen“.

Was die Aussetzung der laufenden Zahlungen an die Bahn angeht, so ist die Stadt der Auffassung, dies sei nicht möglich, falls „die vertraglichen und sachlichen Voraussetzungen für die Fälligkeiten der Zahlungen vorliegen“. Eine unbegründete Aussetzung von Zahlungen widerspreche den Beschlüssen des Gemeinderats. Der OB würde sich in diesem Fall „persönlich schadensersatzpflichtig“ machen. Ebenso wenig wäre es ihm möglich, im S-21-Lenkungskreis sein Veto gegen alle Entscheidungen einzulegen. Der städtische Pressesprecher Markus Vogt teilte mit, die Unterzeichner des Finanzierungsvertrages hätten sich verpflichtet, „das Projekt zu fördern“. Eine Blockade des OB würde gegen diese Verpflichtung verstoßen. Zudem gebe es im Lenkungskreis kein Vetorecht im eigentlichen Sinne.

Rockenbauch sieht bei den Grünen ähnliche Forderungen

Hannes Rockenbauch sagt, er verstehe die Aufregung nicht. Er habe in seinen Briefen deutlich gemacht, dass seine Forderungen nur durchsetzbar wären, „wenn hinter dem neuen Oberbürgermeister eine starke Bürgerbewegung steht“. Er wundere sich über die Kritik der Grünen, deren OB-Kandidat gleich acht vergleichbare Forderungen auf seinen Plakaten thematisiere, für die er auch eine Mehrheit im Gemeinderat brauche, um sie zu erfüllen. Die Feinstaubbelastung nachhaltig zu reduzieren, sei jedenfalls mit den derzeitigen Mehrheiten nicht möglich, da etwa die SPD als Befürworterin des Rosensteintunnels falsche Prioritäten setze.

Rockenbauch weist die Kritik zurück. Er sagt, seine Forderungen wären trotz der Bedenken der Verwaltung umsetzbar, weil dies in einem veränderten politischen Umfeld geschehen würde: „Wenn ich Oberbürgermeister bin, hat sich die Mehrheit der Wähler für mich und gegen Stuttgart 21 entschieden. Bei der nächsten Gemeinderatswahl 2014 könnte sich die Situation noch einmal zu Lasten der heutigen Besetzung verändern.“ Die Verträge könne er gleich nach Amtsantritt auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfen lassen. Laut Gemeindeordnung müsse er Beschlüssen des Gemeinderats widersprechen, wenn er der Auffassung sei, dass sie gesetzwidrig zustande gekommen wären. Dass er teilweise 17 Jahre zu spät käme, sieht Rockenbauch nicht. Für ihn als OB wären die Verträge neu. Er verweist zudem darauf, als OB die Sitzungen vorzubereiten. Er könne deshalb die Probleme, die er bei S 21 sehe, regelmäßig auf die Tagesordnung bringen, was ihm heute nicht gelinge. Zu einer ordentlichen Vorbereitung gehöre auch, mit dem Sachverstand der Verwaltung mit Gutachten die Probleme darzustellen.

Referendum stamme aus der Trickkiste der Landesregierung

Für ihn stehe außer Frage, dass die Zahlungen an die Bahn sofort gestoppt werden müssten. Anders als Schuster erkläre, lägen die Voraussetzungen für weitere Überweisungen nicht vor, da weder die Finanzierung noch die Leistungsfähigkeit bestätigt seien. Rockenbauch sagte, er wäre bereit, „das Risiko einzugehen, vor Gericht zu verlieren“. Eine Bindung an das Ergebnis der Volksabstimmung im vergangenen November zu Gunsten des Projekts sieht Rockenbauch nicht. Es sei nicht so, dass Gesetze nicht akzeptiert werden müssten. Das Referendum entstamme allerdings der „Trickkiste der grün-roten Landesregierung“ und werde „demokratisch überinterpretiert“. Einem Bürgerentscheid über S 21 in Stuttgart würde er sich dagegen beugen. Deshalb würde er auch eine entsprechende Abstimmung in der Landeshauptstadt initiieren.

Die Konkurrenz traut Rockenbauch bei der Wahl am 7. Oktober einen Achtungserfolg zu – Fritz Kuhn etwa rechnet mit bis zu zwölf Prozent. Der SÖS-Bewerber träumt indes vom Sieg. Die 117 000 Stimmen der S-21-Gegner bei der Volksabstimmung würden wohl reichen, sagte Rockenbauch mit Verweis auf die nur 90 000 Bürger, die Wolfgang Schuster 2004 im zweiten Durchgang zum Sieg verhalfen. Was er nicht bedenkt: Bei der Volksabstimmung haben 131 000 so abgestimmt, wie es der Kontrahent von CDU, FDP und Freien Wählern, Sebastian Turner, befürwortet.