Beim sogenannten Immobilien-Dialog im Rathaus in Stuttgart haben sich die sieben bisher bekannten Kandidaten für die Oberbürgermeister-Wahl einen argumentativen Schlagabtausch geliefert.

Stuttgart - „Ich mach’ vormittags“, kontert Sebastian Turner, als Moderator Holger Gayer, der Ressortleiter Lokales der Stuttgarter Zeitung, bei der ersten Podiumsdiskussion mit den aktuell sieben OB-Kandidaten im Rathaus anregt, er könne sich den OB-Posten doch mit Fritz Kuhn teilen. Beide wollen die Stadt lebendiger gestalten und den Wert von Stuttgart durch gezielte Stadtentwicklung steigern. Dass die beiden Bewerber um die Nachfolge von Wolfgang Schuster aber weitere Gemeinsamkeiten haben, bezweifelt Turner.

 

Dem Publikum im großen Sitzungssaal gefällt es zum Abschluss des Immobilien-Dialogs, dass der Unternehmer Turner und der Grünen-Bundestagsabgeordnete Kuhn sowie das ehemalige Model Marion Furtwängler, der Systemadministrator der Stadt Stuttgart Harald Hermann, der freiberufliche Kommunikationsdesigner Jens Loewe, der SÖS-Stadtrat und Diplom-Ingenieur Hannes Rockenbauch und Bettina Wilhelm, die Erste Bürgermeisterin der Stadt Schwäbisch Hall, nur selten auf gleicher Linie sind. Sie erleben eine lebendige, kontroverse aber faire Diskussion.

Kandidatin Furtwängler: Tiefbahnhof als Touristenattraktion

Bei der punktet Turner, der für die CDU antritt und von der FDP und den Freien Wählern unterstützt wird, zumindest am Ende bei den Immobilien-Experten. Er ist überzeugt, dass 2020 die Bearbeitungszeit im Baurechtsamt nur noch zwei Monate dauern wird. Das bringt ihm Beifall. Kuhn will bis dahin die Feinstaubproblematik gelöst wissen, Wilhelm sieht sanierte Schulen und mehr Kindertagesstätten. Furtwängler hat eine andere Vision: Sie glaubt, dass Touristen wegen „des funktionierenden Tiefbahnhofs“ nach Stuttgart strömen.

Wer bis dahin regiert haben wird? „Die Stuttgarter haben immer Männer mit zwei Silben im Nachnamen gewählt“, sagt Turner, Loewe beteiligt sich nicht an der Spekulation. Rockenbauch kann sich vorstellen, selbst auf dem Sessel gesessen zu haben und ergänzt: „Das Schöne ist, ich habe nicht nur acht Jahre dazu Zeit.“ Das Publikum lacht. Kuhn, ganz Diplomat, will der Wählerschaft nicht vorgreifen. Diese entscheide am 7. Oktober als Souverän, Die Damen sind direkter: Beide wollen 2020 acht Jahre die Stadt geführt haben. Hermann wiederum proklamiert den Gesellschafts- und Systemwandel: „Die Jungen werden fragen: Was ist ein OB?“

Die Bewerber setzen unterschiedliche Schwerpunkte

Bis dahin will der Angestellte im Öffentlichen Dienst die Fronten in der Stadt klären, mit Soziologen und Stadtplanern gemeinsam ein neues Zukunftskonzept entwickeln. Auch Jens Loewe setzt auf die Kooperation mit vielen Partnern. Er will vor allem kleinen und mittleren Unternehmen Raum für Entwicklung bieten. Großinvestoren müsse die Stadt mit ihrer Planungshoheit mehr Einhalt gebieten. Hier ist er auf einer Linie mit Rockenbauch. Dieser stellt das Wohl der Bürger in den Mittlepunkt: „Erst muss es den Menschen gut gehen, dann geht es auch der Wirtschaft gut“, sagt er und geht so auf Gegenkurs zu Turner, der den Industriestandort Stuttgart ausbauen und das Projekt S 21 „nicht verzögern“ will.

Der „überbordenden Bürokratie“ würde Loewe als OB den Garaus machen. Turner hält auch die Herrenumkleide der Kickers für eine Baustelle – nicht nur augenzwinkernd. Hermann möchte die Villa Berg der Kunst als Spielstätte zuführen, Rockenbauch die Bausubstanz in der Innenstadt bewahren. Kuhn trachtet derweil danach, die Wohnungsnot zu verringern und bezahlbaren Wohnraum auch für Normalverdiener zu schaffen, während Wilhelm erreichen möchte, dass die Hauptstätter Straße nicht länger die Stadt zerschneidet. Das Rosensteinviertel will sie zudem modellhaft entwickeln. „Ich sehe hier große Chancen, wohnen und arbeiten in einem guten Mix zusammenzuführen.“