Energieversorgung und Stuttgart 21: erstmals hat ein Teil der Bewerber über die relevanten Themen in Stuttgart und in der Region diskutiert.

Stuttgart - Vier von sechs OB-Kandidaten, die sich für die Nachfolge von Rathauschef Wolfgang Schuster bewerben, haben sich am Freitag in der Liederhalle einen ersten verbalen Schlagabtausch geliefert. Die Tatsache, dass der Veranstalter – das Forum Region Stuttgart – die Bewerber Hannes Rockenbauch (SÖS) und Jens Loewe nicht eingeladen hatte, hat den Organisatoren Kritik eingetragen. Eine muntere Runde wurde es trotzdem, der rund 700 Zuschauer im Mozartsaal beiwohnten.

 

Die von der SPD nominierte parteilose Bettina Wilhelm und ihre drei männlichen Konkurrenten, der ebenfalls parteilose und von der CDU ins Rennen geschickte Sebastian Turner sowie Fritz Kuhn (Grüne) und Harald Hermann (Piratenpartei) bekannten sich auf Fragen des Moderators Jürgen Offenbach zunächst allesamt zur Zusammenarbeit der Landeshauptstadt mit der Region – wenn auch mit unterschiedlicher Akzentuierung. Während Wilhelm sich als „Regionautin“ bezeichnete, die als OB selbstbewusst die Interessen der Landeshauptstadt vertreten würde, bekannte der Pirat Hermann: „Führungsanspruch ist nicht mein Ding.“ Die Kommunen in der Region müssten sich selbstständig ohne Bevormundung entwickeln können.

Turner bringt die Energieversorgung auf den Plan

Fritz Kuhn reklamierte umgehend die politische Führung Stuttgarts als Herz der Region durch „kluge Kommunikation“ – eine Strategie, die er beim Amtsinhaber Schuster vermisst habe. Sebastian Turner ergänzte, man müsse das Thema Energieversorgung auf regionaler Ebene angehen.

Beim Thema Energiepolitik wurden dann erste Unterschiede deutlich: Während sich Kuhn, Wilhelm und Hermann prinzipiell für eine Rekommunalisierung der Energieversorgung aussprachen, malte Turner schwarz für die Versorgungssicherheit der Wirtschaft: Unternehmen könnten abwandern, weil sie ihre Versorgung mit Energie nicht mehr gewährleistet sehen könnten. „Es ist ein falscher Glaube zu denken, die Stadt könne auf privatwirtschaftlichem Sektor bessere Renditen erzielen als die Privatwirtschaft“, entgegnete er Wilhelm, die sich von Stadtwerken und einem Versorgungsnetz in städtischer Hand Gewinne für die Stadtkasse verspricht. Kuhn plädierte dafür, dass die Stadt beim Betrieb der Netze die Federführung haben müsse: „Die Daseinsvorsorge muss in öffentlicher Hand liegen, ob mit privater Beteiligung oder ohne.“ Hermann plädierte für ein Genossenschaftsmodell bei der Neustrukturierung der Energieversorgung.

Nach 45 Minuten kam dann das erste Mal Stuttgart 21 zur Sprache. Turner bezeichnete das geplante Rosensteinquartier auch als Chance, neue ökologische Technologien im Energiesektor zu erproben – und erntete prompt erste Buhrufe aus dem Publikum. Da half es auch nichts, dass er seine Parteiunabhängigkeit betonte und dazu die Anekdote zum besten gab, er sei kürzlich bei Bahnhofsgegnern zu Kaffee und Kuchen eingeladen gewesen; man wolle sich wieder treffen. Fritz Kuhn wies den Vorwurf, er habe den von Turner angebotenen Fairnesspakt für den Wahlkampf abgelehnt, zurück: „Ich muss keinen Pakt schließen, ich bin fair. “ Er wolle seine in vielen politischen Funktionen erworbene Führungserfahrung als OB einbringen, sagte er und setzte einen Seitenhieb gegen den Unternehmer Turner: „Eine Stadt lässt sich nicht führen wie eine AG.“ Wilhelm wiederum sieht sich nicht als „Notnagel der SPD“. Es komme nicht darauf an, wer wann nominiert worden sei, sondern darauf, wer sich im Wahlkampf am besten schlage. Und Hermann bezifferte seine Wahlchancen auf „nahe Null, aber nicht gleich Null.“

Beim Feinstaubproblem sorgte Turner für Gelächter, als er vorschlug, die Arbeitszeiten zu verändern und so den Verkehr zu verflüssigen. Hermann plädierte für pünktlichere und günstigere S-Bahnen, Kuhn und Wilhelm für die Entwicklung alternativer Antriebsformen am Automobilstandort Stuttgart.

Zum Ende der Veranstaltung rief der Moderator das Reizthema Tiefbahnhof auf. Er habe das Projekt immer gewollt, bekannte Turner: „Wer Sorgen vor der Belastung während der Bauzeit hat, der muss einen OB wählen, der dafür sorgt, dass die Baustelle so schnell wie sie kommt auch wieder geht.“ Während Wilhelm eine klare Positionierung vermied, sagte der erklärte Projektgegner Kuhn, jeder künftige OB müsse akzeptieren, dass die Bahn nach der Volksabstimmung die Durchgangsstation bauen dürfe. Allerdings, so Kuhn, „habe ich Zweifel, ob sie das auch wirklich kann“.