Bei einer Umfrage unter Stuttgart-21-Gegnern stimmten 57 Prozent der Befragten dafür, mit einem eigenen Kandidaten in den OB-Wahlkampf zu gehen.

Stuttgart - Haben sich die Stuttgart-21-Gegner müde demonstriert? Wie kann der Protest gegen das Bahnprojekt weitergeführt werden? Mit diesen Fragen haben sich am Samstag knapp tausend Widerständler beim „Zweiten Großen Ratschlag“ im Rathaus beschäftigt. Aufgerufen hatten dazu der Parkschützerrat, das im Stuttgarter Gemeinderat vertretene Bündnis SÖS und Die Anstifter. Neuen Schwung in die Debatte haben jetzt die Ergebnisse einer Umfrage gebracht, an der sich 500 Projektgegner beteiligt haben. Demnach haben sich 57 Prozent dafür ausgesprochen, mit einem eigenen, parteilosen Kandidaten in den OB-Wahlkampf zu gehen. Für einen Kandidaten der SÖS sowie der Grünen sprachen sich je acht Prozent aus, fünf Prozent wollen „keinen Grünen“, für andere Parteien votierten zwei Prozent – und 20 Prozent waren gegen eine Teilnahme am OB-Wahlkampf oder unentschlossen.

 

Doch ausgemacht ist freilich noch nichts, auch Namen wurden am Wochenende nicht gehandelt – denn in der Widerstandsbewegung herrscht striktes Basisdemokratiegebot. Der SÖS-Stadtrat Hannes Rockenbauch formulierte das so: „Einige von uns wollen, dass wir einen eigenen OB-Kandidaten stellen.“ Doch er gab zu bedenken, man solle Chancen und Risiken einer solchen Maßnahme gründlich überlegen. Schließlich drohe dadurch auch die Gefahr, dass sich die Widerstandsbewegung spalten könnte. „Es ist schwierig für eine außerparlamentarische Bewegung, sich auf parlamentarische Prozesse einzulassen“, meinte Rockenbauch. Auf der anderen Seite sei es „notwendig, dass diese Wahl zu einer Oben-Bleiben-Wahl wird“.

90 Prozent wollen Montagsdemonstrationen fortsetzen

Überlegt wurde beim Ratschlag auch, wie es mit dem Protest weitergehen soll. Das interne Klima werde zunehmend rauer, „was Neues zu sagen wird schwierig“, so Rockenbauch. „Aber der eigentliche Ärger wegen Stuttgart 21 beginnt erst.“ Der SÖS-Stadtrat schlug vor, „mit neuen Formaten die Neugier der Leute zu wecken“ und die OB-Wahl „so zu nutzen, dass wir unsere Bewegung dadurch stärken“.

Die Mehrheit der Umfrage-Teilnehmer würde den Widerstand zwar gern für andere Themen öffnen, will aber von neuen Formaten nichts wissen. 90 Prozent sprachen sich für eine Fortsetzung der Montagsdemonstrationen aus, 50 Prozent wollen am Bahnhof als Zentrum des Protestes festhalten, 30 Prozent fordern wechselnde Orte, und zwölf Prozent schlugen den Marktplatz für die Demos vor. Insgesamt gebe es widersprüchliche Positionen, räumte Hannes Rockenbauch ein. Diese reichten von einer Ablehnung dieser Ritualisierung, die nur noch „Inzucht“ und „Selbstbestätigung“ sei, bis hin zum Statement, die Montagsdemo sei „zur Ursuppe geworden, aus der alles Weitere entsteht“.